ES gibt eine neue KONTEXT-KOLUMNE: NACHT IM KOPF
LIEBE FREUNDINNEN
UND FREUNDE DES SALONS,
am Samstag, 12. November, versammelte sich die AfD mit „Querdenken“-Anhang zu einer Kundgebung auf dem Stuttgarter Marktplatz. Ihr verlogenes Motto lautete: „Wehrt euch gegen: Armut, Not & Kälte“, ihre nationalistische Parole: „Unser Land zuerst!“. Das Bündnis Stuttgart gegen Rechts und andere Initiativen hatten zu Gegen-Demos aufgerufen. Entsprechend rüstete die Stuttgarter Polizei auf, als erwarte sie die russische Armee.
Wie die Stadt und lokale Medien mit der Sache umgingen, zeigt dieser Auszug aus einem StZ-Artikel im Vorfeld der Ereignisse: „Der Citymanager Sven Hahn spricht für die Mitglieder der City Initiative: `Wir achten das Versammlungsrecht als ein hohes Gut. Und wir betrachten Demos unabhängig vom Inhalt. Aber das geht wirklich nicht. Wenn Gefahr für Leib und Leben besteht und vor Vandalismus gewarnt wird, dann haben solche Demos im Herzen der Stadt an einem Samstag nichts verloren`, sagt Hahn. Der Handel würde darunter leiden. Er wisse wohl, dass juristisch alles in Ordnung sei: Die Gefahr gehe nach Einschätzung der Lage durch Stadt und Polizei nicht von der AfD-Kundgebung aus, sondern von den fünf Gegendemos …“
Angesichts des bedrohlichen Rechtsrucks und der Faschisierung in Europa und anderswo lassen sich die zitierten Sätze im besten Fall mit politischer und grundsätzlicher Dummheit erklären. Hilft aber nichts: exakt auf diese Art und Weise, aufgrund von Ahnungslosigkeit und provinzieller Kleingeistigkeit werden faschistische Prozesse unterstützt. Logisch, dass der Artikel auf Internet-Kanälen der rechten Mischpoke verbreitet wurde. So entstehen demokratiefeindliche Partnerschaften, während Bürger:innen mit der einfältigen Hetze gegen Demonstrant:innen und Warnungen vor „Vandalismus“ verunsichert werden. Die Gefahr von rechts vor dem Hintergrund von Inflation und Energiekrise wird verharmlost – und der Widerstand gegen rechts zum wahren Problem erklärt. Der Feind steht links. Die übliche Ablenkung.
Am Ende waren es mehr (friedliche) Gegen-Demonstrant:innen als Faschos. Zum besseren Verständnis wieder mal Erich Kästner: „Man darf nicht warten, bis aus dem Schneeball eine Lawine geworden ist. Man muss den rollenden Schneeball zertreten. Die Lawine hält keiner mehr auf. Sie ruht erst, wenn sie alles unter sich begraben hat. Das ist die Lehre, das ist das Fazit dessen, was uns 1933 widerfuhr.“
RUHE!
Es macht keinen Spaß, immer wieder auf Veranstaltungen hinzuweisen, um vielleicht doch noch ein paar Stühle zu füllen. Aber was soll man machen? Alles aufgeben? Eine verlockende Idee …
DIE NACHT DER LIEDER, FLANEURSALON LIVE
1998 habe ich die erste kleine Mixed Show mit eigenen Texten, Musik und Kabarett veranstaltet. Damals hieß sie noch nicht Flaneursalon. Sie diente der Präsentation des Kolumnen-Büchleins „Stuttgart – My Cleverly Hills“ in der damaligen Kneipe im Gustav-Siegle-Haus, wo heute der Bix Jazzclub ist. Zuvor schon hatte ich immer wieder bunte Programme arrangiert, ohne allerdings selber in Erscheinung zu treten – etwa im Alten Schützenhaus in Heslach oder im Foyer Blaue Brücke in Tübingen („Foyer und Flamme“). 2001 folgte dann Die Nacht der Lieder im Kino Metropol. Es ging mir immer darum, Unterschiedliches zusammenzubringen, das Gemeinsame aufzuzeigen. Den Flaneursalon und Die Nacht der Lieder gibt es immer noch. In all den Jahren habe ich einiges über Kulturarbeit in der Praxis gelernt und etliche Leute kennengelernt. Nur vor diesem Hintergrund war es möglich, kurz vor dem ersten Pandemie-Lockdown im März 2020 die Künstler:innensoforthilfe Stuttgart zu gründen und in Gang zu bringen. Unsere Initiative, im Zwei-Mann-Verfahren aufgezogen, hat inzwischen mehr als 1,5 Millionen Euro gesammelt und verteilt. Zurzeit leiden viele Veranstaltungen unter ausbleibendem Publikum – und dazu gehört jetzt auch Die 21. Nacht der Lieder. Früher ein Selbstläufer und schon im Sommer ausverkauft, muss ich diesmal alles tun, um den Saal zu füllen. Die Einnahmen dieser Benefizshow kommen in diesem Jahr wieder der Künstler:innensoforthilfe zugute. Karten gibt es schon ab 26,60 Euro. Und ich kann nur bitten, diese schöne internationale Veranstaltung unter dem Motto „Ein Abend der Begegnung“ zu unterstützen. Hier kommt zusammen, was zusammen gehört. Karten: DIE NACHT DER LIEDER IM THEATERHAUS – telefonisch: 0711/4020720 – und an der Theaterhauskasse.
ROSENAU
Nach unserem Auftritt zum 50-jährigen Bestehen des Laboratoriums dachte ich, dieses Jahr sei gelaufen. Dann aber hat mich Michael Drauz von der Rosenau gefragt, ob wir nicht ein Programm-Loch „zwischen den Jahren“ füllen könnten. Aus alter Verbundenheit mit der Kleinkunstbühne im Westen, in der wir früher sehr oft zugange waren, habe ich Ja gesagt. Es geht jetzt darum, am 27. Dezember noch einmal etwa 100 Plätze zu füllen – mit etwas weniger sähe es auch schon ganz gut aus. Karten für den Flaneursalon einen Tag nach Weihnachten sind übrigens gute Geschenke, und ich nutze den Abend, um neue Gesichter in meiner Lieder- und Geschichtenshow vorzustellen: das Song-Duo BRTHR mit Joscha Brettschneider & Philipp Eissler und die Keyboard-Artistin, Sängerin und Songschreiberin Meike Boltersdorf. Aus der Abteilung Satire macht der Schriftsteller Oliver Maria Schmitt mit, u. a. war er Chefredakteur der „Titanic“. Das Ganze taugt womöglich als nachweihnachtliche Bescherung. Und der Flaneursalon ist nach den Feiertagen der richtige Ort für kleine Fluchten … Karten gibt es hier: ROSENAU