Bauers DepeschenDienstag, 25. Mai 2010, 503. DepescheACHTUNG, jetzt startet auch die Werbung außerhalb dieser Seite: FLANEURSALON IM FLUSS - DIE SOMMER-TOUR STEHT BEVOR. Unsere Hommage an Stuttgarts vergessenen Fluss. Am Donnerstag, 17. Juni, auf dem Neckar-Schiff "Wilhelma". Die schönste Tour des Jahres. Mit Los Santos (Stefan Hiss), Roland Baisch, Dacia Bridges, Michael Gaedt & Anja Binder und weiteren Piraten... INFOS & KARTEN (siehe auch Depesche vom 27. April) KOMMENTAR SCHREIBEN TAGEBUCH-NOTIZEN Am Donnerstag vor Pfingsten fuhr ich nach Essen, als Tourist. Unlängst war ich schon mal dort gewesen, danach schrieb ich eine kleine Kolumne, sie hieß „Woanders is auch Scheiße“, und daraufhin hat mir Oliver Scheytt, der Geschäftsführer des Projekts "Kulturhauptstadt", gemailt. Er habe den Text vergnügt gelesen, ich solle mich doch mal blicken lassen. Klare Sache. Wir haben eine Weile in einem Gartenrestaurant am Stadtpark über die Kulturhauptstadt geredet, und am Samstag durfte ich in einem Bus mit zur Halde Rheinelbe fahren. Wir sind das Geröll hinaufgestiefelt, es wächst dort nichts, weil es im Erdinneren noch zu warm ist, und man konnte sehen, wie das Ruhrgebiet seine Vergangenheit in die Luft lässt: 311 gelbe Luftballons mit gleichfarbigem Schweif stiegen zum Himmel, überall dort, wo sich früher Zechen befanden. Eine freundliche Dame sagte mir, wenn ich in einen Zeppelin oder einen Heißluftballon gestiegen wäre, könnte ich sehen, dass das Ruhrgebiet von oben aussieht wie ein großer grüner Park. Ich bin kein Ballonfahrer. Man sieht auch unten viel Grün und Wasser, und mit einem Tretboot bin ich auf dem Baldeneysee vor Essen-Werden herumgekurvt, um die Kunstinseln (Installationen zur Kulturhauptstadt) zu besichtigen. An Ruhr und Rhein war zum Glück schon am Donnerstag Hochsommer, und gut geölt habe ich die Sache überlebt. Auf der Hinfahrt im Zug hatte ich bereits einiges von Patti Smiths autobiografischem Buch „Just Kids“ gelesen, danach noch etliche Seiten im Hotel, ehe ich mitbekam, dass im Düsseldorfer NRW-Forum eine große Ausstellung mit Fotos von Robert Mapplethorpe zu sehen ist. Der Künstler, 1989 an Aids gestorben, spielt in Frau Smiths Buch die tragende Rolle. Sie war seine Muse und umgekehrt. Also bin ich nach Düsseldorf gefahren und habe mir die Ausstellung angeschaut. 150 Schwarz-Weiß-Bilder, zusammen wirken sie wie ein großes, sanftes, wildes Zeitgeistgemälde (die Mapplethorpe-WG-Poster der Achtziger waren eine Landplage). Zurück in Essen, habe ich in einen Second-Hand-Laden mit Vinyl-Platten entdeckt, und weil im Buch der Song „So You Want To Be A Rock 'n' Roll Star“ von den Byrds ein Thema ist (zu einer Zeit, als Patti Smith noch nicht Musik macht), habe ich mir ein Byrds-Album mit dem Titel geholt. Ein paar Meter weiter war freundlicherweise auch Patti Smiths LP „Wave“ mit ihrer Version des Songs für vier Euro im Angebot, und so hatte ich die Dinge gefunden, um der Mapplethorpe-Smith-Sache näher zu kommen. Diese Art Bastelarbeit gefällt mir, die Platten sind halbwegs erhalten und auf meinem neuen Plattenspieler (Radio-Dräger, neuerdings Hauptstätter Straße, beim Café Stella) gut zu hören. Die Beschäftigung mit der New Yorker Ära, die Patti Smith gelassen und stilsicher beschreibt, die sechziger und siebziger Jahre mit der Zentralstation Chelsea Hotel, ist auch in der Rückschau originell: Wider besseres Wissen will man kaum glauben, was vor dreißig, vierzig Jahren radikal neu war oder als neu und radikal galt: Fotografie als gleichberechtige Kunst, Homosexualität als Sujet, Rock 'n' Roll = Dichtung usw. Tatsächlich habe ich mir noch ein Magazin zum so gut wie beendeten Kapitel Chelsea Hotel gekauft, darin befindet sich u. a. ein Pappmodellbogen zum Basteln, selbstverständlich wird auch Leonard Cohens Song „Chelsea Hotel #2“ entschlüsselt, die berühmte Nummer mit Janis Joplin im ungemachten Bett. Wer schon mal im Flaneursalon war, kennt Dacia Bridges' Version des Songs, und darauf freue ich mich jedes Mal, wenn sie die singt. Am Pfingstmontag war ich zum Abschluss meiner Feiertage im Stuttgarter Opernhaus: „Katja Kabanova“, 90 Minuten kurz. Eine ähnlich gute Bühneninszenierung (Jossi Wieler), etwas so Dynamisches, Präzises und Leichtes, habe ich lange nicht gesehen. "Kabanova" handelt von den tödlichen Zwängen der Liebe. Im Fall Mapplethorpe war die Liebe ausgesprochen frei, tödlich wurde in den Achtzigern der Sex, und hier endet meine kleine Welt. CHELSEA HOTEL #2 (Leonard Cohen) I remember you well in the Chelsea Hotel, you were talking so brave and so sweet, giving me head on the unmade bed, while the limousines wait in the street. Those were the reasons and that was New York, we were running for the money and the flesh. And that was called love for the workers in song probably still is for those of them left. Ah but you got away, didn't you babe, you just turned your back on the crowd, you got away, I never once heard you say, I need you, I don't need you, I need you, I don't need you and all of that jiving around. I remember you well in the Chelsea Hotel you were famous, your heart was a legend. You told me again you preferred handsome men but for me you would make an exception. And clenching your fist for the ones like us who are oppressed by the figures of beauty, you fixed yourself, you said, "Well never mind, we are ugly but we have the music." And then you got away, didn't you babe... I don't mean to suggest that I loved you the best, I can't keep track of each fallen robin. I remember you well in the Chelsea Hotel, that's all, I don't even think of you that often. SO YOU WANT TO BE A ROCK 'N' ROLL STAR (The Byrds) So you want to be a rock 'n' roll star? Then listen now to what I say Just get an electric guitar Then take some time And learn how to play And with your hair swung right And your pants too tight It's gonna be all right Then it's time to go downtown Where the agent man won't let you down Sell your soul to the company Who are waiting there to sell plastic ware And in a week or two If you make the charts The girls'll tear you apart The price you paid for your riches and fame Was it all a strange game? You're a little insane The money, the fame, the public acclaim Don't forget what you are You're a rock 'n' roll star! AMTLICHES DIE STN-KOLUMNEN Im LESERSALON sind noch Zimmer frei E-Mail- „Kontakt“ FRIENDLY FIRE: www.kessel.tv www.edition-tiamat.de (Hier gibt es mein aktuelles Buch "Schwaben, Schwafler Ehrenmänner - Spazieren und vor die Hunde gehen in Stuttgart") www.bittermann.edition-tiamat.de (mit der Fußball-Kolumne "Blutgrätsche") www.unsere-stadt.org GLANZ & ELEND |
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