Bauers Depeschen


Donnerstag, 15. Juli 2021, 2277. Depesche



 



NEUE KONTEXT-KOLUMNE: Gedankenspringer. Wie ich in einer geistigen Notlage Spaziergänger wurde und immer weiter aus der Stadt herausging, indem ich immer tiefer in sie eindrang, Hier geht’s zum Text: AKTUELLE KOLUMNE



DIESE KLEINE REDE hielt ich am 10. Juli bei der Kundgebung der Initiative solidarische Nachbarschaft Schoettle-Areal:



SCHÖNEN GUTEN TAG auf dem Erwin-Schoettle-Platz,

dieser schöne Platz hier fällt mir immer wieder dadurch auf, dass sein Namensgeber falsch geschrieben wird. Erwin Schoettle mit „oe“ war ein sozialdemokratischer Politiker, der 1933 vor der Nazis ins Exil fliehen musste. Er ging über Graz nach London und war dort während des Kriegs mit der Gründung sozialistischer deutscher Organisationen betraut. Nach dem Krieg erhielt er die Lizenz zur Gründung der Stuttgarter Nachrichten und gab auch die Sozialistischen Monatshefte heraus (so was gab es mal). Als eher konservativer SPD-Abgeordneter saß er im Landtag und im Bundestag. 1976 starb er. 1987 wurde dieser Platz hier nach ihm benannt. Seine Frau Helene lebte bis 1994, sie war unermüdlich sozial engagiert, etwa bei der Arbeiterwohlfahrt, sie kümmerte sich um benachteiligte Kinder, um alte Menschen und geistig Behinderte.

Diese Schoettles erwähne ich bewusst, weil uns Orte in der Stadt erzählen, wer vor uns da war. Und das ist wichtig, um die Zusammenhänge von Vergangenheit und Gegenwart zu verstehen. Geschichte ist nicht Vergangenheit. Geschichte ist Gegenwart. Ein amerikanisches Sprichwort sagt: Was nicht vergessen wird, das lebt!

Wir begreifen die Brücken zwischen gestern und heute, wenn wir den heutigen Rassismus, den Antisemitismus und die Machenschaften der gegenwärtigen Faschisten erleben. Wenn wir uns mit dem Kulturkampf der Rechten und Völkischen auseinandersetzen. Um diesen Angriffen auf unsere Lebensweise der Vielfalt etwas entgegenzusetzen, brauchen wir Orte der Begegnung. Und wer nichts tut, hilft mit, den Rechten den Weg zu ebnen. Um etwas zu tun, brauchen wir freie Räume, Räume für den gesellschaftlichen, für den internationalen Dialog.

Eines Tages könnten Menschen hier nebenan auf dem Schoettle-Areal wohnen, und dieser Ort wird ihnen erzählen: Dieses Quartier wurde nur möglich, weil sich Menschen aus verschiedenen Ecken Stuttgarts gemeinsam für ein demokratisches Wohnprojekt engagiert haben.

Und wir lernen daraus: Wir müssen um unsere Räume in dieser Stadt buchstäblich kämpfen. Das ist unsere Antwort auf die Frage: Wem gehört die Stadt? Sie gehört NICHT den Immobilienhaien. Und sie gehört erst recht nicht Provinzpolitikern, die meinen, gesellschaftliche Konflikte könne man mit Polizeigewalt, mit Videoüberwachung und der Verdrängung junger Menschen aus dem öffentlichen Raum lösen. Genau das praktizieren mit peinlicher Eigenmächtigkeit die neuen Rathaus-Herren aus Backnang und Trossingen.

In einer Stadt wie Stuttgart, die seit Jahrzehnten ihre Stadtplanung nahezu kompromisslos den Immobilieninvestoren überlässt, fehlen zwangsläufig Orte für ein demokratisches, für ein gerechtes Miteinander. Nehmen wir als Beispiel das historische Metropol-Gebäude: Man macht eine Kletterhalle daraus statt ein Haus der Begegnung.

Über den Abrisswahn in dieser Stadt, über die Wohnungsnot und die Mietenexplosion muss ich nichts mehr sagen. Sie sind die Folge des neoliberalen Denkens und die entsprechend unverantwortliche Stadtpolitik. Die herrschenden Verhältnisse sind ebenso das Ergebnis einer realitätsfernen Rathaus-Politik des saturierten Teil des Gemeinderats. Dazu gehören Mitglieder des Stadtparlaments, die günstige Mieten für die städtischen SWSG-Wohnungen erst neulich mit dem absurden Hinweis abgelehnt haben, günstige Mieten seien ungerecht. Ein solches Argument kann nur aus einer Verkettung von Arroganz und Abgehobenheit entstehen. Genauso könnte man sagen: Es ist ungerecht, in einer städtischen Kantine Essen zu reellen Preisen anzubieten, weil Restaurants ja teurer sind.

Seit vor Jahren im Land zigtausend staatliche Sozialwohnungen an Heuschrecken verhökert wurden, beschäftige ich mich mit dem Wohnkonflikt in dieser Stadt. Und seit der Pandemie bekomme ich durch meine tägliche Arbeit für die Künstler*innensoforthilfe mit, wie Menschen in der Kunst- und Kulturarbeit und viele Studierende ihre Wohnungen oder WG-Zimmer aufgeben müssen. Nicht wenige müssen zurück zu ihren Elten ziehen, oft weit außerhalb.

Bei einem Projekt wie dem Schoettle-Areal geht es nicht nur um bezahlbares Wohnen. Es geht auch darum, eine städtische Insel mit kulturellen und sozialen Räumen zu schaffen. Solche Räume brauchen wir als Orte der Begegnung, die Signale senden. Die es uns ermöglichen, etwas zu tun gegen Rassismus, gegen Diskriminierung, gegen Vereinsamung. Es sind Orte, die symbolisch und in der Praxis des alltäglichen Handelns für ein kulturelles und soziales Miteinander stehen. Wir brauchen den Dialog.

Deshalb ist der Einsatz für das Wohnquartier Schoettle-Areal eine gute gute Motivation für all die, die ihre Stadt nicht allein dem Konsum und einer realitätsfernen Politik überlassen wollen. Überheblichkeit und Profitdenken schaffen eine menschenfeindliche Stadt. Eine, in der Menschen ausgesperrt und vertrieben werden. Deshalb: Wir müssen etwas tun und uns mit vielen anderen zusammentun. Und ich bin mir sicher: Eine Frau wie Helene Schoettle würde uns heute ganz sicher unterstützen. Vielen Dank.

> Und hier erfährt man alles über die Initiative: SCHOETTLE-AREAL



Flaneursalon live

LIEDER, GESCHICHTEN

UND VIEL HUMOR AM NECKAR

Sommer-Finale: Der Flaneursalon geht wieder an den Fluss. Nicht auf unseren angestammten Platz im Hafen, sondern auf das Weingut Zaißerei am Neckarufer, in der Nähe der schönen Hängebrücke und des Max-Eyth-Sees. Diesmal wird es eine eher wortgewaltige Lieder- und Geschichtenshow. Zu meinen Gästen gehören der Satiriker und Schriftsteller Oliver Maria Schmitt aus der Frankfurter Humor-Mafia, der auf keinen Fall fehlen darf, wenn irgendwo ein Rebstock in der Nähe ist - und auch der Freiburger Poet und Kabarettist Jess Jochimsen. Ich halte mich dann ein wenig zurück, wenngleich mir auch was einfällt, wenn es um unseren vergessenen Fluss geht. Musik machen Eva Leticia Padilla & Dany Labana Martinez und Stefan Hannibal Hiss. Und damit unser Macho-Haufen etwas gezähmt wird, schwirren die Musikerinnen Moni Ramoni und Babs Steinbock über das Gelände des sehr schönen Festivals Poesie & Oechsle. Termin: Sonntag, 1. August, 19 Uhr. NOCH GIBT ES KARTEN: VORVERKAUF



METROPOL

Die nächste Kundgebung gegen die Zweckentfremdung eines historischen Kulturgebäudes der Stadt findet voraussichtlich am Donnerstag, 29. Juli, auf dem Kleinen Schlossplatz statt. Näheres demnächst.



16 MONATE

KÜNSTLER*INNENSOFORTHILFE

STUTTGART

Kurz vor dem ersten Lockdown, am 16. Mörz 2020, haben wir unsere Aktion nach einer spontan einberufenen Kneipenrunde gestartet. Seitdem sind wir als zweiköpfige Initiative namens Künstler*innensoforthilfe Stuttgart aktiv. In dieser Zeit haben wir keinen Tag Pause gemacht. In einem Jahr und vier Monaten haben uns 5700 Privatleute, Firmen und Institutionen 1,35 Millionen Euro gespendet. Mit diesem Geld wurden bisher 3230 Überweisungen an Pandemie-Betroffene in der Kunst- und Kulturarbeit, an Studierende und zum Erhalt einiger Projekte ausgestellt. Viele erhielten mehrfach Hilfe. Nach wie vor sind wir täglich aktiv und können nach dem jetzigen Stand finanziell noch ein paar Wochen durchhalten. Allen, die unsere Sache unterstützt und damit vielen Menschen im Großraum Stuttgart geholfen haben, sagen wir herzlichen Dank. Die Künstler*innensoforthilfe Stuttgart wurde gegründet, um in der Krise ein solidarisches Zeichen vor der eigenen Haustür zu setzen - als kleiner Beitrag zur Verteidigung einer Kultur der Vielfalt in unserem alltäglichen Leben.

KÜNSTLER*INNENSOFORTHILFE STUTTGART



 

Auswahl

27.08.2022

24.08.2022

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17.08.2022

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10.08.2022
07.08.2022

06.08.2022


Depeschen 2281 - 2310

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Depeschen 1711 - 1740

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