Bauers Depeschen


Montag, 17. August 2020, 2232. Depesche



 



Sonntag, 13. September, 19 Uhr:

FLANEURSALON AM NECKAR, IN DER NÄHE DES MAX-EYTH-SEES

Unsere für diesen Sommer geplante Hafen-Show hab ich ja schon früh in der Corona-Pandemie aus Gründen der Vernunft abgesagt. Jetzt rücken wir aber doch noch, verhalten, Richtung Neckarufer vor: Am Sonntag, 13. September, ist der Flaneursalon zu Gast beim Festival "Poesie & Oechsle" in der Zaißerei, in der Nähe des früheren Lokals Keefertal, heute "Riverhouse". Nicht weit vom Max-Eyth-See. Zum ersten Mal im Aufgebot ist die aus Prag stammende Sängerin Barbora Soares, begleitet von Michael Strobel an der Gitarre. Zusammen sind sie das Duo Sharova. Fehlen darf am Flussufer auf keinen Fall die betörendste Stimme des großen Stroms: Stefan Hiss. Und als Spezialgast: der Poet und Komiker Bernd Kohlhepp, bekannt auch als Herr Hämmerle. Karten: VORVERKAUF FLANEURSALON



Sonntag, 18. Oktober, 19 Uhr:

FLANEURSALON IM THEATERHAUS

Einen Monat später ist der Flaneursalon - wie schon lange geplant - im Theaterhaus. Zum ersten Mal unter Corona-Bedingungen im Saal. Die Lieder- und Geschichtenshow mit dem virtuosen Halbsatz-Komiker Rolf Miller, dem brillanten Satire-Autor Dietrich Krauß („Die Anstalt“) als Fachkommentator des Stuttgarter OB-Wahlkampfs - und mit der wunderbaren Musik von Thabilé und Toba & Pheel. Hier geht’s zu den Karten: VORVERKAUF FLANEURSALON



UNSERE KÜNSTLERSOFORTHILFE STUTTGART ...

... ist weiterhin täglich aktiv. Mehr als 310.000 Euro Spenden haben wir seit der Gründung unserer Initiative am 16. März erhalten - und damit bisher rund 950 Kulturschaffende unterstützt. Nach wie vor bitten wir um finanzielle Hilfe. Alle Infos für Spenden und Anfragen: KÜNSTLERSOFORTHILFE



MEINE REDE AUF DER

HEUTIGEN MONTAGSDEMO GEGEN STUTTGART 21 auf dem Marktplatz:



Schönen guten Tag vor dem Rathaus.

der noch amtierende OB, ein Schultes namens Fritz Kuhn, hat diesen Marktplatz hier mal als das „Wohnzimmer der Stadt“ bezeichnet. Und das war mit Blick auf die Zukunft gar nicht so falsch. Wenn es mit dem Mietenwahnsinn und der Wohnungsnot in Stuttgart so weitergeht, müssen einigen Menschen in dieser Stadt demnächst ihre Schlafsäcke mitbringen und hier Platte machen.

Derselbe Herr Kuhn hat auch gesagt, das Wohnungsproblem werde man mit Stuttgart 21 lösen – mit dem sogenannten Rosensteinviertel. Inzwischen wissen wir, dass Stuttgart womöglich schon eine Geisterstadt sein wird, bevor diese Luftburgen auch nur irgendetwas mit realem Wohnraum zu tun haben.

Liebe Freundinnen und Freunde, Realität ist auch, dass wir die Corona-Pandemie noch lange nicht überstanden haben. Wir müssen aufpassen, dass uns die zweite Welle nicht härter erwischt. Vergangenen Freitag erst war ich auf dem Pragfriedhof bei einer Urnenbeisetzung. Anfang April ist ein Freund von mir, ein guter Handwerker und erstklassiger Sportler, im Alter von 52 Jahren in einem Stuttgarter Krankenhaus am Corona-Virus gestorben. Das gehört zu unserer Wirklichkeit.

Bitte halten Sie Abstand, bei Nazis etwas mehr, und tragen Sie Masken. Wir müssen jetzt körperliche Distanz halten, aber gleichzeitig in den Köpfen zusammenrücken – und in dieser Krise solidarisch sein, vor allem mit denen, die es am härtesten trifft. Nämlich die ohnehin schon Benachteiligten und Verletzlichen dieser Gesellschaft.

Vor jeder Montagsdemo höre ich die Frage, was dieser Protest denn noch soll. Die Sache sei gelaufen, der widerständlerische Haufen hier doch längst am Ende. Nicht selten ist dieser Blick von oben herab voller Spott. Das muss man nicht ernst nehmen. Wenn ich morgen gegen die Atombombe demonstriere und übermorgen gegen den Rassismus und die Ausbeutung internationaler Arbeitssklaven, schaffe ich damit nicht die Atombombe, den Rassismus und die Ausbeutung ab. Ich mache aber auf diese Bedrohung und Ungerechtigkeiten aufmerksam und verbünde und vernetze mich mit anderen Menschen. Darum geht es.

Auch Stuttgart 21 ist eine Bedrohung: für die Stadtgestaltung, vor allem für das Klima – und damit für die Menschen. Von der obszönen Geldverschwendung zu schweigen.

Seit zehn Jahren höre ich immer wieder den Vorwurf, mit meiner Aktivität gegen S 21 sei ich doch bloß ein Ewiggestriger. Lustigerweise sagen mir das oft Leute, die in ihrer kulturellen Entwicklung im Geschmackskeller ihrer Vergangenheit hängengeblieben sind. Aber egal. Solange uns auf dieser Montagsdemo regelmäßig Fachleute über den wahren Stand der Dinge informieren, hat diese Veranstaltung ihren Sinn und ihre Berechtigung. Diese Fachleute in den Reihen des Protests gibt es nach wie vor. Sie sind nicht nur unermüdliche Mahnwächterinnen und Mahnwächter. Sie sind kluge Mitglieder eines gewissenhaften Teams der Aufklärung im Hier und Heute. Sie informieren uns über Dinge, von denen wir ohne sie überhaupt nichts erfahren würden.

Der Hohn auf die angeblich Gestrigen kommt ja meist von arroganten Leuten, die nichts wissen über die Zusammenhänge von gestern und heute. Die nie begriffen haben, warum Geschichte nicht Vergangenheit, sondern Gegenwart ist. Ein Blick auf die rechtsextremem und völkischen Machenschaften um uns herum müsste genügen, dies zu erkennen. Die so Coolen und Hippen aber faseln ununterbrochen von irgendeiner Zukunft, die ihnen die Reklamefritzen von S 21 verkaufen. Die erfinden für ihre Plakate sogar einen „neuen Bonatzbau“. So nennen sie ein zerstörtes Baudenkmal, in dem eine Firma des Schweinebarons Tönnies zurzeit ein Hotel baut.

Bis vor KURZEM hing ein Transparent hier am Rathaus: Unabhängig davon, dass der Mensch nicht FÜR, sondern laut Duden VOR etwas Respekt hat: Auf diesem Plakat wurden die Feuerwehr, die Rettungsdienste und die Polizei aufgezählt. Das sind exakt die Organisationen, die den Verantwortlichen des Katastrophenbauwerks S 21 auch in Zukunft dringend zur Seite stehen müssen. Am 30. September jährt sich übrigens zum zehnten Mal der Schwarze Donnerstag.

Der Protest gegen S 21 ist zuletzt kurz in Verruf geraten. Das hatte mit diesen „Querdenken“-Demos zu tun, bei der sich auch ein paar S 21-Gegner blicken lassen. Vermutlich halten sich viele Teilnehmende dieser Aufmärsche tatsächlich für Querdenkende. Fraglich, ob sie wissen, was dieser Begriff überhaupt bedeutet. Die Voraussetzung des an sich kreativen Querdenkens, das der britische Wissenschaftler Edward de Bono in den Sechzigerjahren als „lateral thinking“ eingeführt hat, ist immer die Logik des vertikalen Denkens. Es geht um ein empathisches Denken, das zu besseren Ergebnissen führen kann als erstarrte Logik. Diese Art Querdenken aber hat nichts zu tun mit der verschwörerischen Quertreiberei in der Krise.

Das Thema "Querdenken"-Demos greife ich auf, weil ich im Denken ihrer Organisatoren Parallelen zu den Stuttgart-21-Erfindern- und -Durchpeitschern sehe. Liebe Freundinnen und Freunde, ihr hab ja sicher mitbekommen, dass neulich der Kabarettist Florian Schroeder bei der Querdenken-Demo in Stuttgart auf die Bühne ging. Die Verantwortlichen hatten ihn nach einem seiner satirischen Video-Auftritte für einen der ihren gehalten und eingeladen.

Das Erhellende an Schroeders Auftritt im Stuttgarter Schlossgarten waren aber gar nicht die Sätze, die er über die Meinungsfreiheit gesagt hat. Oder als er versuchte, Corona-Leugner ihre Widersprüche vor Augen zu führen. Erhellend war auch nicht, wie die Leute reagiert haben. Erst mit Beifall, dann mit Buhs.

Aufschlussreich war vielmehr die Tatsache, dass ausgerechnet die Verantwortlichen dieser Demo, die ununterbrochen die Leierkasten-Parolen „Wacht auf!“, „Informiert euch!“ verbreiten, auf einen Clown hereinfielen. Weil sie zuvor nicht in der Lage waren, eine leicht durchschaubare Corona-Leugner-Karikatur dieses Kabarettisten als Satire zu erkennen. Sie waren einem vorherigen Beitrag Schroeders auf den Leim gegangen. Und haben es sogar unterlassen, mal kurz zu recherchieren, wie dieser Komiker politisch sonst so drauf ist. Nämlich keineswegs wie die sogenannten Querdenker.

Diese Demo-Verantwortlichen waren aus Gründen vollkommener Verbohrtheit nicht fähig, die Bedeutung einfacher satirischer Texte zu erkennen. Nicht fähig, wenigstens Teile der Realität außerhalb ihrer Blase und Echokammer wahrzunehmen.

So erklärt sich auch, dass der BWL-geschulte IT-Unternehmer und „Querdenken“-Organisator Ballweg einen Rechtsextremen als Pressesprecher beschäftigt. Es geht dieser Bewegung nirgendwo um Logik und Vernunft, sondern nur um verschwörerische Holzhammer-Propaganda. Und dafür ist jedes Mittel recht: Vor lauter Geltungssucht und Größenwahn und vor lauter Gier, einen halbwegs prominenten TV-Protagonisten wie Florian Schroeder für das Geschäft mit dem Irrsinn einzuspannen, fällt der Stuttgarter OB-Kandidat Ballweg naiv, vernagelt und verscheuklappt auf einen Komiker rein.

In der Geschichte finden wir viele Beispiele, wie der Größenwahn auch noch die letzten Reste der Vernunft ausblendet. Das gilt nicht nur für Diktatoren.

Ich erinnere mich an eine Rede, die im April 2013 ein Gast aus der Schweiz bei der Montagsdemo hier auf diesem Marktplatz gehalten hat. Zu S 21, sagte er, sei rein technisch schon alles gesagt. Deshalb mache er auf ein gravierendes psychiatrisches Problem aufmerksam: auf eine Krankheit namens Megalomanie. Dieser Begriff bezeichnet die Phänomene zwischen Größenwahn und Selbstüberschätzung.

Dieser Mann auf der Montagsdemo war Professor Dr. Benedikt Weibel. Von 1993 bis 2006 war er Chef der Schweizerischen Bundesbahnen (SBB), später Dozent für Praktisches Management an der Universität Bern. Auf unserer Demo schilderte er, wie die Schweizerischen Bundesbahnen ihr komplettes Schienennetz für eine vernünftige Summe revolutioniert haben. Und wie die Schweizer Bevölkerung extrem teure Hochgeschwindigkeitsbahnen per Volksentscheid verhindern konnte.

Von Megalomanie sprechen wir also zu Recht, wenn Stuttgarter Politiker jahrzehntelang ein Milliardenprojekt durchprügeln, weil sie in ihrem Machbarkeitswahn glauben: Wo uns ein Herrenknecht-Bohrer willig ist, ist auch ein Weg. Schließlich geht es um horrende Immobilienprofite und die politische Macht um jeden Preis.

Ganz nebenbei ein weiteres Beispiel aus unserer direkten Umgebung: Was Größenwahn und Geltungssucht anrichten, führte uns Konrad Kujau, der Stuttgarter Fälscher der „Hitler-Tagebücher“, vor: In der Aussicht auf Ruhm und Geld waren die Manager des Magazins „Stern“ einst so blöd, auch noch die billigsten Tricks eines kleinen Gauners als historische Wahrheit zu betrachten. Und zwar weil die Dollarzeichen in ihren Augen alle Fakten ausblendeten und ihnen den Verstand raubten. Da reichte es, dass Kujau Papierbögen mit Geschichten über Hitlers Darmverstopfung so lange in seinen Backofen legte, bis sie den Stern-Managern braun genug erschienen.

Beim Thema Größenwahn und Geltungssucht sind wir genau wieder mitten drin in den schwarzen Löchern von Stuttgart 21. Mit Dollar-Zeichen in den Augen werden Fakten verdrängt und vertuscht – und mit Lug und Trug wird weitergebaut. Immer in der Absicht der Herrschenden, mit ewiggestriger Politik gegen alle Vernunft und gegen alle demokratische Pflichten die Macht zu verteidigen und Profite zu machen. Und deshalb müssen wir weiter dagegen protestieren.

Vielen Dank



 

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