Bauers DepeschenFreitag, 06. September 2019, 2129. DepescheFlANEURSALON-AUSFLUG INS REMSTAL Liebe Freundinnen und Freunde des Flaneursalons, auf Einladung machen wir am Freitag, 11. Oktober, einen kleinen Ausflug nach Urbach an der Rems zu einem Auftritt in der Auerbachhalle. Thematisch werde ich mich dort wie überall auch ein wenig mit der Umgebung beschäftigen. Auch am schmalsten Fluss gibt es tiefe Sümpfe. — Die ursprünglich eingeplante Sängerin Thabilé musste mit Rücksicht auf ihre Gesundheit inzwischen absagen. Ich wünsche ihr alles Beste. An ihrer Stelle tritt in Urbach Eva Leticia Padilla auf. Nach wie vor im Aufgebot ist unser bayerisch-alpines Feuerwerk mit dem Monster-Alphorn: Loisach Marci - und erstmals als Flaneursalon-Conférencier der elegante Tübinger Komiker und Entertainer HELGE THUN. VORVERKAUF URACH Dann darf ich darauf hinweisen, dass es für die Revue 10 JAHRE MONTAGSDEMOS GEGEN S 21 am 8. Oktober im Theaterhaus noch Karten gibt. Unter anderem treten MAX UTHOFF und CHRISTINE PRAYON auf. Hier der Klick zu den Reservierungen: VORVERKAUF PROTEST-REVUE Telefon: 0711/4020720. Hört die Signale! Ein Lied zum Tag Neue StN-Kolumne RAUS AUF DIE DÖRFER In letzter Zeit kommt mir immer wieder der Gedanke, die Kolumne „In der Stadt“ durch eine mit dem Titel „Auf dem Land“ zu ersetzen. Auf den ersten Blick erscheint die Beschäftigung mit der Stadt zweifellos ergiebiger. Seit vielen Jahren bin ich zu Fuß, mit Bahn oder Bus unterwegs, um Dinge aufzustöbern, die von Stuttgart ein wenig mehr zeigen als Fernsehturm, Volksfest und Breuninger. Inzwischen allerdings macht mich mein schlechtes Gewissen auf den fatalen Fehler aufmerksam, entlegene Gegenden mehr oder weniger zu missachten, vor allem die Gebiete außerhalb unserers Speckgürtels. Seit langem bin ich der Meinung, Parteipolitiker, aber auch Aktivisten und engagierte Neugierige müssten viel öfter – oder endlich einmal – hinausgehen in abseits liegende Stadtteile und sich ein Bild von der Stimmung machen. Damit meine ich nicht pflichtschuldige Wahlkampf-Abstecher, bei denen Kandidaten für ein paar Minuten für die Fotografen den „Kümmerer“ spielen und dann die städtischen Außenposten wieder vergessen, weil dort nur wenig zu holen ist. Schon gar nichts, was der Eitelkeit dient. Am Samstag vor dem dramatischen Rechtsruck bei den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg, nicht unbedingt meinen Stammrevieren, strampelte ich mit meinem Fahrrad von Weil der Stadt (19 200 Einwohner, Kreis Böblingen) nach Pforzheim (eine Großstadt mit 125 000 Einwohnern). Ich war Gast der „Blauen Radler“, einer originellen Fangruppe der Stuttgarter Kickers, mit der ich das Spiel unseres ehrbaren Fünfliga-Teams beim CfR Pforzheim besuchte. Es wäre anmaßend zu behaupten, ich sei Radfahrer. Bin Gelegenheitstreter. Die Strecke vom Bahnhof in Weil der Stadt nach Pforzheim ist nicht schwer, zirka 25 Kilometer – abwechslungsreich und etwas wild. Ein großer Teil des Wegs führt durch den Wald und das aufregende Würmtal mit dem gleichnamigen Fluss. Dieser Ausflug lehrte mich etwas über umweltgerechtes Reisen in den Holzklassen des Fußballs. Du musst nicht zu Champions-League-Spielen nach Barcelona oder London fliegen, du erledigst deine Tour mit der S-Bahn, dem Rad oder ein gutes Stück zu Fuß. Motto: bisschen Esprit statt Sprit. Womöglich sind wir so intensiver in Bewegung als unsere tapferen Spieler. Radfahren in einer Gegend, in der einem kein Autofahrer auflauert, gibt Raum und Zeit für Gedanken. Nicht nur für erfreuliche, schon weil mich das Blau des Himmels weniger an die Farben unseres Vereins als an die einer nationalistischen Partei mit rechtsextremen Einflüssen erinnert. Von Weil der Stadt nach Pforzheim fahren wir von 15,8 Prozent AfD-Stimmen hinein in 25,2 Prozent AfD-Stimmen – mit diesen Ergebnissen endeten 2016 die baden-württembergischen Landtagswahlen. Bekanntlich kam da besagte Partei auf 15 Prozent und sitzt seitdem als drittstärkste Partei hinter Grünen und CDU und als stärkste Oppositionspartei (mit mehr Abgeordneten als die SPD) im Stuttgarter Landtag. Diese Tatsache, das stelle ich immer wieder in Gesprächen mit Zeitgenossen fest, ist nur bedingt oder überhaupt nicht im Bewusstsein. Allerdings muss ich nicht erst meinen Hintern auf einen Fahrradsattel schwingen und durch die weite Prärie reiten, um in eine Wetterlage zu geraten, die nichts mit dem Klima zu tun hat, das neuerdings auch von den scheinheiligen Marketingstrategen der CDU, SPD und FDP beschworen wird. Mit einer kurzen Straßenbahnfahrt auf der Linie 14 beispielsweise erreichen wir den Stuttgarter Bezirk Mühlhausen, wo bei der Bundestagswahl vor zwei Jahren 16 Prozent AfD wählten. In Wahlbezirken des Mühlhausener Stadtteils Neugereut gaben mehr als 20 Prozent ihre Stimme der AfD. Das sind Zahlen, die sich leicht mit anderen Orten ergänzen ließen. Es gibt also keinen Grund, die politischen Abgründe und die Erfolge einer rechtsnationalistischen Partei mit Nazis in ihren Reihen als Ost-Problem abzutun. Diese Sicht der Dinge ist fahrlässig und überheblich, wenn man weiß, wie leicht die rechte Propaganda Stimmungen beeinflussen kann. Wenn wir als gewichtigen Grund für den heutigen Rechtsruck die Abgehobenheit und Realitätsferne sogenannter Etablierter oder Elitärer nennen, dann müssen sich viele von uns an die eigene Nase fassen. Und da bin ich schon bei meinem Zinken: Auch der Journalistenberuf verleitet dazu, die Wirklichkeit der nächsten Umgebung außer Acht zu lassen, weil sie nicht spektakulär genug erscheint für Quoten, Online-Klicks und ähnliche Resonanz. Wer schon berichtet gern über die miesen Löhne unbekannter Friseure oder Postzusteller. Und wer schon fährt regelmäßig hinaus auf Dörfer, die er nicht kennt, um sich mit den Leuten über fehlende Ärzte, geschlossene Lebensmittelläden und schlechte Verkehrsverbindungen zu unterhalten. Unsereiner war garantiert schon öfter in Dresden/Sachsen und Potsdam/Brandenburg als in Pforzheim, das eine halbe Bahnstunde von Stuttgart entfernt liegt. Das Internet und die sozialen Medien können in der politischen Arbeit nicht den direkten Kontakt mit den Menschen ersetzen. Wer etwas gegen die Rechten und die faschistischen Umtriebe tun will, muss vor seiner eigenen Haustür beginnen und darf sich nicht in seine städtischen, oft großspurig „urban“ genannten Nischen zurückziehen. Wer sich Hass und Hetze entgegenstellen will, muss sich mit anderen zusammentun und zu den Menschen gehen. Von dieser Erkenntnis wird mich nicht mal unsere bittere 0:1-Niederlage in Pforzheim abbringen. |
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