Bauers Depeschen


Samstag, 13. Oktober 2018, 2022. Depesche



 



Mein Buch IM STAUB VON STUTTGART (Edition Tiamat, Berlin) gibt‘s im Buchhandel. Kauft, kauft, kauft. Und keine Sorge: Es geht in diesem Fall um Verlagsunterstützung, nicht um Honorar für mich.



KUNDGEBUNG AN DIESEM SONNTAG

Sonntag, 14. Oktober, 17.30 Uhr,

Stuttgarter Schlossplatz:

„Nein zu Hetze und Rassismus.

Zur Bayernwahl auf die Straße.“

(Unsereins sagt auch ein paar Sätze)



WORKSHOPS GEGEN RECHTS

Unser 2. OFFENES FORUM GEGEN RECHTS in Stuttgart nimmt Formen an. Es findet statt am Samstag, 1. Dezember 2018, von 14 Uhr bis ca 17 Uhr im Württembergischen Kunstverein am Schlossplatz. Unterstützt von Rosa-Luxemburg-Stiftung, Aktionsbündnis Stuttgart gegen Rechts u. v. a. In verschiedenen Workshops geht es um Fragen wie "Umgang, Konfrontation mit Rechten im Alltag", "Protestformen" u. ä. Zu den Referenten/Rednern gehören u. a. Jonas Weber von der Initiative Stammtischkämpfer*innen, der Arzt und Aktivist Michael Wilk, der Schriftsteller Wolfgang Schorlau. Näheres demnächst. Wer Lust hat, kann sich per Mail schon mal anmelden (nur für den besseren Überblick):

offenesforum@posteo.de



Hört die Signale!

DAS LIED ZUM TAG



StN-Kolumne:

A MASS STATT HASS

Wir haben einen historischen Wendepunkt erreicht: Alle Welt schaut nach Bayern. Dies hat nicht zwingend damit zu tun, dass der VfB gerade einen in Bayern geborenen Fußballer als nächstes Traineropfer verpflichtet hat. Erstens trägt der Mann aus Straubing nur rein zufällig denselben Vornamen wie Bayerns dunkelste Leuchte Markus Söder. Zweitens hat er seinen Integrationsnachweis für die Kesseltauglichkeit schon geleistet: Von 1999 bis 2001 spielte er bei den Stuttgarter Kickers in der zweiten Liga. Dass der Herr Weinzierl, wie er mit Nachnamen heißt, mit ihnen abstieg und dann Fahnenflucht ins bayerische Unterhaching beging, sei ihm verziehen. Schon zehn Jahre zuvor hatten die großen Kickers in München den FC Bayern mit 4:1 besiegt und damit die Rangordnung für alle Zeiten besiegelt.

Seit ich denken kann – was für die Weltgeschichte keine entscheidende Rolle spielen dürfte –, leiden gewisse Stuttgarter, vornehmlich auch Stuttgarterinnen, an einem seltsamen Konkurrenzkomplex gegenüber der Münchner Gesellschaft. Damit­ ziele ich nicht auf den Dirndl- und Lederhosenwahn in den Sauf- und Balzhöhlen des Stuttgarter Volksfests. Schon bevor die depperten Trachten als Wiesn- Kopie­ den Cannstatter Wasen beherrscht hatten, fuhren Betuchte vom verschandelten Nesenbach an die schöne Isar, um sich klammheimlich mit Münchner Mode einzudecken. So konnte niemand zusehen, wenn sie ihr Geld erst für Luxusloden und dann für ihr unterleibliches Wohl verjodelten, während sie ­daheim schwäbische Bescheidenheit und pietistische Lustfeindlichkeit zur Schau stellten. Diese Heuchelei perfektionierten sie mit Mercedes-Karossen ohne Typenschild, die auf den ersten Blick offenließen, ob es sich um schlichte Bauern-Diesel oder teure Benzinböcke handelte.

Alte Geschichten – sie haben mit dem schwäbisch-bayerischen Klassenkampf unserer Tage nur wenig zu tun. Die Welt schaut jetzt auf Bayern, weil an diesem Sonntag die Alleinherrschaft der CSU beendet und damit die Mir-san-mir-Hegemonie womöglich entscheidend geschwächt wird. Zuletzt hat der bis heute weitgehend königlich regierte Freistaat seine globale Macht ja fortwährend ausgebaut. Der frühere Bayern-Autokrat Strauß beispielsweise musste einst bei einem Staatsbesuch in Moskau die Frage Gorbatschows, ob er zum ersten Mal in der Sowjetunion sei, noch mit der ziemlich provinzlerischen Ausrede beantworten: „Nein, das erste Mal kam ich nur bis Stalingrad.“

Doch nicht deshalb ist München als „Hauptstadt der Bewegung“ berühmt geworden. Dieser Ehrentitel weist darauf hin, dass die Nazis einst in einem Münchner Palais ihre Machtzentrale namens „Braunes Haus“ zur schrittweisen Zerstörung der Welt einrichteten – ehe sie, trotz Strauß, in Stalingrad gestoppt wurden. Die zentralbayerische Nazivergangenheit, von den völkischen Erben des Führers heute als „Vogelschiss der Geschichte“ besungen, lässt allerdings außer Acht, dass die Metropole an der Isar auch mal der Nabel der Revolution war. Damit spiele ich nicht etwa auf die Gründung einer auch in Stuttgart nicht unbekannten Öko-Verbindung an, die Strauß mal in völliger Verkennung der Wirklichkeit als „Melonenpartei“ bezeichnete: „außen grün, innen rot“ (richtig gewesen wäre „Kiwipartei“: außen grün, innen schwarz). ­Vielmehr denke ich an die Revolution von 1918, als Dichter und Denker wie Erich Mühsam und Ernst Toller die Münchner Räterepublik ausriefen. Eine rote Ruhmestat, ein Lichtblick in der Weltgeschichte, wenn auch von kurzer Dauer.

Hundert Jahre später erinnern sich ehrbare Genossen an die umstürzlerische Kraft der Bazis, die sich keineswegs auf die rebellischen Wilderer in den bajuwarischen Wäldern beschränkt. In den vergangenen Wochen protestierten Abertausende mutige Bürger, flankiert von den großen Komikern und Musikern der Stadt, auf den Münchner Straßen gegen rechte Hetze, Polizeistaat-Gesetze und Wohnungsnot. Lange Demozüge marschierten durch die neue Hauptstadt der besseren Bewegung – Bilder wie in den großen Tagen des S-21-Aufstands im benachbarten Stuttgart. Und was für eine poetisch schönere Parole gäbe es als das neue Bayernmotto: A MASS STATT HASS.

Thomas Mann musste einst zwar erleben, wie man München als „Hort der Reaktion, als Sitz der Verstocktheit“ nicht nur in Deutschland „eine dumme, die eigentlich dumme Stadt nannte“. So dumm wie Stuttgarts führende Politiker jedoch waren später Bayerns Großkopfete nicht: Landräubern und Bodenspekulanten schoben sie rigoros einen Riegel vor, als sie mit der S- 21-Strategie auch in München den Kopfbahnhof und die Stadt angreifen wollten. Mit Blick auf unsere heutigen Baustellen muss man dem ehemaligen VfB-Klopper Thomas Strunz nachträglich recht geben: Das Schönste an Stuttgart, hat er gesagt, sei die Autobahn nach München.

Damit zur Bayernwahl. Wer jetzt bei uns, in den nicht bayerischen Gefilden der schwäbischen Erdteile, zu Recht reaktionäre CSU-Köpfe wie Söder und Seehofer ins Visier nimmt, der sollte auch ein schlechtes Gewissen haben. Den schwäbischen Beitrag zur Münchner Räterepublik leisteten vor hundert Jahren Studenten aus den braunen Häusern von Stuttgart und Tübingen: Unter Hakenkreuzfahnen eilten sie an die Isar, um die Revolutionäre niederzumetzeln. Alle Macht den braven Bayern!







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