Bauers Depeschen


Montag, 29. September 2014, 1355. Depesche



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EIN ABEND IM HERBST

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JOE BAUERS FLANEURSALON, die Stuttgarter Lieder- und Geschichtenshow, am Montag, 13. Oktober, im Theaterhaus. 20.15 Uhr.

Conférence: Uta Köbernick.

Songs: Vater Zam Helga & Tochter Ella Estrella Tischa. Papa Roland Baisch & Sohn Sam Baisch. Freestyle-Rapper Toba Borke & Beatboxer Pheel.

Es gibt noch Karten: THEATERHAUS und 0711/4020 720

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Eine Erinnerung:



Der Klick zum

LIED DES TAGES

(Leonard Cohen, Stuttgart, 1. Oktober 2010: "Anthem")



An diesem Montag (18 Uhr, Bahnhof) und Dienstag (Start 18 Uhr, Lautenschlagerstraße) finden Demos zum Thema statt.



SCHWARZER DONNERSTAG

Es war früher Herbst und spät genug in diesem Jahr, um zu verschwinden. Ich hatte Ferien. Nur 68 Prozent der deutschen Westler, hatte ich in einem Aufsatz über den bevorstehenden Tag der Deutschen Einheit gelesen, haben je ostdeutschen Boden betreten. Seit Jahren im Westen Stuttgarts zu Hause, geplagt von meinem patriotischen Gewissen, fuhr ich nach Brandenburg. Jeder kennt Brandenburg, seit Rainald Grebe seine Ode auf dieses Land gesungen hat: "In Brandenburg, in Brandenburg / ist wieder jemand gegen einen Baum gegurkt / was soll man auch machen mit 17, 18 in Brandenburg?"

Vorsichtshalber fuhr ich mit der Eisenbahn. Über Berlin und Potsdam nach Caputh, ein abgelegenes Dorf, kleiner als Uhlbach. Rund um Caputh gibt es Wasser. Die Havel, den Schwielowsee, den Templiner See. Bekanntlich habe ich einen Wasser-Tick, eine Sehnsucht nach Flüssen und Seen, seit ich als kleiner Junge von Huckleberry Finns Abenteuer am Mississippi gelesen und an der Rems gewohnt habe.

Im Dorf wurde ich am Waldrand einquartiert, zufällig im Nachbarhaus von Albert Einsteins berühmter Sommerresidenz. Herr Einstein wurde in Ulm geboren und zum Glück nicht mit dem Ulmer Gen ausgestattet. Das Ulmer Gen prägt Eingeborene wie den Oberbürgermeister der Stadt, einen kulturlosen Sozen-Schnauzer vom rechten Ufer der Donau.

Herr Einstein hat Ulm aus Gründen der Vernunft früh verlassen, er ging nach Berlin und bald darauf, auf der Flucht vor den Nazis, nach Amerika. Eines Morgens in den Ferien besuchte ich seinen Sommersitz in der Nachbarschaft, ein bescheidenes Anwesen im Bauhausstil. Ich hoffte, ich könne etwas von seiner Aura abbekommen in diesem Haus, vielleicht wie später, nach meiner Rückkehr, etwas von der Magie des Sängers Leonard Cohen im Konzertsaal. Anders als Herr Einstein ist Mr. Cohen noch am Leben, aber dieser Unterschied spielt bei diesen Männern keine Rolle. Sie sind da und füllen den Raum.

Die Tage in Caputh gingen schneller vorbei, als mir lieb war. Kaum zurück aus Brandenburg, ging die Scheiße am Stuttgarter Bahnhof los. Im Schlossgarten zerschossen Polizei-Wasserwerfern Kastanienbäume und Gesichter. Später streuten die verantwortlichen Politiker die Lüge, Schüler hätten Pflastersteine geworfen. Es war der 30. September 2010, der Schwarze Donnerstag. Eine aus allen Teilen der Republik zusammengewürfelte Armee machte im Park Demonstranten gegen Stuttgart 21 nieder. Es war wie immer: Spekulanten und ihre Politiker ließen Polizisten für sich kämpfen, ihre Gegner konnten sich nicht wehren.

An diesem Tag gingen der Sänger Leonard Cohen und seine Band vom benachbarten Hotel Le Méridien zum Schlossgarten und trauten ihren Augen nicht: „Jesus“, sagte ein Musiker zu seinem Konzertmanager, „was machen die vielen Militärs im Park. Ist schon wieder Krieg in Deutschland?“

Rechtzeitig vor dem Tag der Deutschen Einheit, am 3. Oktober, hatten deutsche Politiker deutsche Metallzäune ankarren lassen, um dem deutschen Fortschritt den Weg zu sichern. Aus Caputh hatte ich einen Satz von Albert Einstein im Gedächtnis: „Der Fortschritt lebt vom Austausch des Wissens.“ Heute ist Fortschritt ein anderes Wort für fortschreitende Zerstörung. Dreihundert Jahre alte Bäume hat man im Schlossgarten gefällt – und Rentner und Kinder gleich mit. Die Staatsmacht benahm sich widerlich, ihre Armee, ein unkontrollierter, schlecht trainierter Haufen, wirkte in ihrer materiellen Überlegenheit lächerlich. Sie demonstrierten Macht mit Übermacht, räumten mit Gewalt den Park. Es war eine neue Form von Blut- und Bodenpolitik.

Viele Menschen im Park weinten hemmungslos, nicht nur wegen des Pfefferspray-Ladungen der Polizisten, auch einige Grünen-Politiker sah ich weinen, ich könnte ihre Namen nennen. Ein halbes Jahr später war ihre Partei an der Macht, und keine dieser Tränen wurde je wieder bei einer Kundgebung gegen Stuttgart 21 gesehen.

Am Tag nach dem Krieg im Park ging Leonard Cohen in der Stuttgarter Schleyerhalle auf die Bühne. Er sang seinen Songs „Anthem“: "The birds they sang / at the break of day …" Der Sänger sagte zum Publikum: „Passen Sie gut auf sich und Ihre Bäume auf!“

Diesen Abend werde ich nie vergessen.

Es wurde Oktober. Die Bäume verloren ihre Blätter, auf den Pflastersteinen am Karlsplatz lagen Kastanien. Früher hätte ich sie nicht beachtet.



LEONARD COHENS Ansage am 1. Oktober 2010 in Stuttgart:

"Thanks so much friends. Thank you so much for your warm reception here tonight. It's a great honor to play for you and it is a privilege to be able to gather in places like this, on occasions like this, when so much of the world is plunged in chaos and suffering. I have stood on a street with a sense of compassion and solidarity as the trees which you cherished have been destroyed. It is not my right to interfere or or even comment on these municipal affairs, but ring the bells that still can ring, forget your perfect offering, there is a crack in everything, that's how the light gets in ..."



ANTHEM

The birds they sang

at the break of day

Start again

I heard them say

Don't dwell on what

has passed away

or what is yet to be.

Ah the wars they will

be fought again

The holy dove

She will be caught again

bought and sold

and bought again

the dove is never free.



Ring the bells that still can ring

Forget your perfect offering

There is a crack in everything

That's how the light gets in.



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