Bauers Depeschen


Mittwoch, 19. Oktober 2011, 803. Depesche



SOUNDTRACK DES TAGES



FLANEURSALON IN DER KIRCHE

Unsere letzte Stuttgart-Veranstaltung in diesem Jahr: Am Sonntag, 30. Oktober (19 Uhr), gastieren wir auf Einladung in der Andreaskirche zu Obertürkheim - und der Vorverkauf läuft inzwischen ziemlich gut. Spezial-Gast im Flaneursalon ist VINCENT KLINK, der Meisterkoch wird eigene Texte vortragen und - begleitet von seinem Klavier-Virtuosen PATRICK BEBELAAR - Basstrompete spielen. STEFAN HISS ist mit seinem Trio LOS SANTOS dabei, DACIA BRIDGES spielt ebenfalls im Trio, und unverzichtbar im Gotteshaus ist The Master of the Universe MICHAEL GAEDT. - VORVERKAUF siehe TERMINE.



FLANEURSALON IN BERNHAUSEN

Falls jemand auf den Fildern zu Hause ist: An diesem Freitag, 21. Oktober (20 Uhr), machen wir einen kleinen Flaneursalon im Bunten Bücherladen in Filderstadt/Bernhausen. Mit Anja Binder & Jens-Peter Abele. - Bernhäuser Hauptstraße 15/1 - Tel 07 11 / 70 62 27



ZOCK

Heute eine Glosse aus den Tagen, als die Skandale um das Cross Border Leasing aufgedeckt wurden, die kriminellen Machenschaften deutscher Kommunen, die Steuergeld verzockten. Auch Stuttgart war an vorderster Front beteiligt. Man hat es fast schon vergessen:



DIE KLÄRANLAGE

Es wäre nicht sinnvoll, dauernd in Stadtbahnen und S-Bahnen, in Bussen und Aufzügen herumzufahren, um die Finanzkrise zu verfolgen. Mir scheint, als hätte ich in den Jahren des Herumfahrens zu wenig Heimatkunde betrieben. Sonst hätte ich schneller bemerkt, dass die Krise noch nicht durchschlagend kriselt. Unseren Pennern von der Bank geht es weiterhin gut. Sie kassieren Milliarden.

Der Oberbürgermeister unserer Stadt ist Finanzkrisenexperte. Er hat unsere Stadtbahnen, unser Trinkwasser und unsere Kläranlagen in Amerika verzockt. Bei den Wahlen wird das keine Rolle spielen. Jedesmal wenn einer sagt, der Oberdorfbürgermeister habe unser Hab und Gut den Geldhaien aus der Stadt in den Rachen geworfen, findet der Oberbürgermeister die deutsche Antwort: Ich habe, sagt er, nichts gewusst. Und überhaupt sollen wir den Skandal nicht so eng sehen, wie es für uns noch werden dürfte. Der Fall ist sowieso nicht mehr zu klären: Die Kläranlage gehört uns nicht mehr. Und die Gefängnisse sind überfüllt.

Früher waren wir eine Bananenrepublik. Heute sind wir eine Banditenrepublik, und dem Oberbürgermeister gelingen biblische Wunder: Kaum hat er sein Geschäft gemacht, schwimmt seine Geldanlage in der Kläranlage.

Beim Herumfahren fällt mir auf, dass sich die Stadt in jeder Bahn anders spiegelt, seit uns die Bahnen nicht mehr gehören. Ich fahre von Vaihingen mit der S-Bahn Richtung Westen, rasend schnell geht es hinab ins Tal, wie im Flugzeug. Es ist später Nachmittag, um mich herum raschelt Papier, und ich kenne dieses Geräusch: Es ist der Sound der Verschwörung. Die Menschen in der S-Bahn lesen Bücher und Zeitungen. Viele kommen gerade von der Universität. Noch wird die Abschaffung von Büchern und Zeitungen nicht offiziell gelehrt. Manche junge Menschen haben einen respektablen Bauch unter ihrem dicken Buch, und wenn sie einen Anlagen-Banker sehen, sagen sie: lieber stattlich als verstaatlicht.

Es gibt neben dicken auch schlanke junge Menschen, die dicke Bücher lesen, da kann ich in meinem Herumfahrerberuf noch keinen eindeutigen Trend feststellen.

Am Abend fahre ich mit der Stadtbahn-Linie 14 nach Heslach. Die jungen Menschen in der Bahn sind dünn, schwarz gekleidet, und auf ihrem Rücken hängen jeweils zwei Kapuzen. Die eine gehört zu der Jacke drunter, die andere zu der Jacke drüber. In diesem scheußlichen Drunter- und Drüber-Frühjahr braucht der Mensch zwei Kapuzenjacken.

"Seh ich weg von dem Fleck, ist der Überzieher weg." (Otto Reutter)

Es sieht aus, als würden die jungen Kapuzenmenschen nicht richtig essen. In Heslach, das habe ich beim Herumfahren gehört, treffen sich die Veganer. Veganer essen nichts vom Tier. Keine Kutteln und kein Hirn. Keine Hühnereier und keine Fischaugen. Veganer tragen keine Lederschuhe, und gute Ersatzschuhe kosten so viel Geld wie die Schlangenstiefel in unserem Cowboyladen im Gerberviertel. Die Wirtschaftskrise ist nichts für Veganer, ihr Leben ist zu teuer.

Ich schätze, der Oberbürgermeister hätte weniger große Kläranlagen verschachern können, wenn es nur Veganer gäbe. Womöglich röche es besser in der Stadt, wenn wir ein anderes Magen-Darm-Geschäft aufzögen. Weniger Unverdauliche säßen an den Rohren der Macht. und die Stadt würde nicht mit diesen Plakaten zugekleistert: „Stuttgart gegen Darmkrebs“.

Ich selbst kann mir ein Leben ohne Tierschuhe nicht vorstellen. Müsste ich in Gummischuhen herumlaufen, verlöre ich das Gefühl für die Stadt. Wie ich höre, ist es politischer Protest, nichts vom Tier zu essen. Aber es ist auch Protest, mit amerikanischen Stiefeln in der Bahn zu fahren, die der Oberbürgermeister beim Mau-Mau in New York verloren hat. Die Stiefel folgen ihm bis nach Amerika, und bald trägt einer in der Stadt frisch gemischte Betonschuhe.

Der Oberbürgermeister glaubt, wir könnten vergessen, dass er zuerst sich, dann die Bürger und am Ende alles vergessen hat. Aber er hat sich getäuscht. Die Menschen auf der Strecke von Vaihingen ins Tal lesen Bücher und Zeitungen. Raschelndes Papier erzählt, wo der Oberbürgermeister unser Geld versiebt hat. Die Kapuzenkrieger auf der Linie 14 nach Heslach haben mir gesagt, was er ausgefressen hat: Die Blutwurst der Gier hat er verschlungen. Das sollte er wissen, wenn ihn die Veganer holen.



DIE STN-KOLUMNEN

LESERSALON



FRIENDLY FIRE:

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FlUEGEL TV

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EDITION TIAMAT BERLIN

Bittermanns Fußball-Kolumne Blutgrätsche

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GLANZ & ELEND









 

 

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