Bauers DepeschenDienstag, 01. Juni 2010, 507. DepescheAUFSTIEG UND FALL DES STAATES GERMANY Deutschland hat jetzt eine Schlagersängerin. Aber keinen Bundespräsidenten mehr. Im Wörterbuch des Neudeutschen, das ist die Wahrheit, wurde bereits vor Wochen der Kinder-Ausdruck "Vollhorst" (für Trottel) durch "Vollpfosten" ersetzt. Damit sind wir beim Tor zur Welt: DREI VIERTEL der Plätze auf unserem Schiff sind bereits ausgebucht, "Prinz" und "Lift" berichten in ihren Juni-Heften, das Boot ist bewirtet und fährt auch bei Regen, weil überdacht. Und jetzt kommt der Endspurt: Rainy day / dream away (Jimi Hendrix) FLANEURSALON IM FLUSS - DIE TOUR DER SAISON. Das Schiff ist flächendeckend überdacht. Unsere Hommage an Stuttgarts vergessenen Fluss. Am Donnerstag, 17. Juni, auf dem Neckar-Schiff "Wilhelma". Die schönste Tour des Jahres. Mit Los Santos (Stefan Hiss), Roland Baisch, Dacia Bridges, Michael Gaedt & Anja Binder und weiteren Piraten... INFOS & KARTEN (siehe auch Depesche vom 27. April) Dann empfehle ich meine heutige KOLUMNE ("Der Gummi-Checker") und als Bonus zur Tour-Einstimmung noch eine kleine Sache aus meinem jüngsten Buch: NECKAR LIVE Der 15 PS starke Diesel tuckert wie ein altes Motorrad. Es ist Freitag, 14 Uhr. Vor einer starken Stunde haben wir in Hofen mit einem norwegischen Fischkutter auf dem Neckar abgelegt, das Boot ist sieben Meter lang, vierzig Jahre alt und heißt Himphamp (die norddeutsche Variante für Quatsch). Der Himmel klart auf, und das ist gut. "Eine Mütze voll Regen verursacht im Neckar Hochwasser", hat Mark Twain geschrieben, "und ein Zuber voll Wasser führt eine Überschwemmung herbei". Ich habe meinen Laptop Fink jr. auf dem Schoß, flusstauglich ist er nicht. Es ist 14.30 Uhr, und in unserer ersten Schleuse in Cannstatt werden wir kräftig durchgeschüttelt. Am Bug stehen David, der Kapitän, und Johannes, der Hilfsmatrose. Die Männer hantieren mit Seilen. Nach zehn Minuten sind wir durch. Steuerbord erhebt sich der Gaskessel, backbord taucht das Daimlerstadion auf. Der Neckar ist ein schmaler Fluss, so schmal, "dass man einen Hund hinüberwerfen kann, wenn man einen hat", hat Mark Twain geschrieben. Unterwegs, am Kraftwerk Münster, haben wir den amerikanischen Austauschschüler Justin, 17, Gast am Friedrich-Eugens-Gymnasium, an Bord genommen. Er kommt aus Pittsburgh/Pennsylvania, kennt Daniels Sohn Thaddäus und erzählt mir vom Conemaugh, dem Fluss, der in seiner Heimat in den Ohio mündet. Wahrscheinlich kann man einen Hund hinüberwerfen, sage ich, aber früher hat sich das kaum einer getraut. Am Conemaugh haben Indianer gelebt, das spüre ich. Wahr ist, dass ich den Neckar kaum besser kenne als den Ohio und den Ohio nie gesehen habe. Es ist schön am Neckar, am Fluss, den seine Stadt vergessen hat. Ich habe die ganze Zeit die Weinberge hinaufgeschaut, die Weinberge sind jetzt grün, wie sie grüner nicht werden. Wenn ein Fremder auf einem Kutter von Hofen Richtung Cannstatt schippert, kann er sich nicht vorstellen, dass irgendwo hinter den grünen Hügeln eine Großstadt liegt. Womöglich ist das auch gar nicht wahr. Es ist mittlerweile 15 Uhr, und wir steuern die zweite Schleuse an. Wir sind in Untertürkheim und können die Sängerhalle sehen. Ich weiß nicht, ob einer im Rhythmus unseres Viertakters ein Lied singen möchte. Daniel und seine Frau Caterina haben eine Flasche Prosecco geöffnet, Johannes zeigt uns Flachmänner mit brandneuem "Stuttgarter Hafenwasser", und Mark Twain, habe ich gelesen, war der Wein vom Neckar zu sauer. Mag daran liegen, dass er seine Studien auf die Gegend um Heidelberg beschränkt hat. Am Freitag ist es ruhig auf dem Neckar. Wir haben noch kein Schiff gesehen. Am Ufer rüsten sie hektisch für das Max-Eyth-See-Fest und das Fischerfest. Der Fang in den heimischen Gewässern kann zuletzt nicht besonders gut gewesen sein. Beim Fischerfest werden geräucherte Forellen und Würste vom Grill serviert. Wenn ich noch einmal auf die Welt komme, spare ich das Geld, das ich in meinem Leben versenkt habe, und kaufe mir einen Fischkutter und einen Hund. Den Hund werfe ich über den Neckar, und mit dem Kutter hole ich ihn wieder ab. Es ist 15 Uhr 30, ich mache Schluss mit der Schreiberei. Ich will noch etwas sehen vom Neckar. Man sieht ihn nicht alle Tage in dieser Stadt. AMTLICHES DIE STN-KOLUMNEN Im LESERSALON sind noch Zimmer frei E-Mail- „Kontakt“ FRIENDLY FIRE: www.kessel.tv www.edition-tiamat.de (Hier gibt es mein aktuelles Buch "Schwaben, Schwafler Ehrenmänner - Spazieren und vor die Hunde gehen in Stuttgart") www.bittermann.edition-tiamat.de (mit der Fußball-Kolumne "Blutgrätsche") www.unsere-stadt.org GLANZ & ELEND |
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