Bauers Depeschen


Montag, 15. Februar 2010, 445. Depesche



Nächster Flaneursalon: Mittwoch, 24. Februar, Theater Rampe

Es gibt noch Karten: 0711 / 620 09 09 - 16.



Kolumnen in den Stuttgarter Nachrichten

Neue Kolumne

(Baustellenhinweis: Wegen Relaunch-Arbeiten kommt es derzeit zu Verzögerungen)

Leserbriefe zu den StN-Kolumnen bitte an: j.bauer@stn.zgs.de



Friendly Fire:

www.kessel.tv

www.bittermann.edition-tiamat.de u. a. mit der famosen Fußballkolumne "Blutgrätsche"



BETR.: NEUE KOLUMNE

Da zurzeit meine aktuellen StN-Kolumnen nicht im Netz zu finden sind, reiche ich die Fußballkolumne von heute, Montag, in meinem eigenen Online-Laden nach:



15. 2. 2010

WITZE, KÄMPFE, WÜRDE

(Gewidmet Bruno Bienzle)



Irgendwo habe ich gelesen, der deutsche Kraftmeier Guido Westerwelle stehe auf Golf und Beach-Volleyball. Damit wäre in einer Fußball-Kolumne fast alles gesagt.

Doch spätesten seit der große FDP-Führer im Hartz-IV-Milieu „römische Dekadenz“ gewittert hat, möchte man mit dem römischen Kaiser in der Arena sitzen und beim Anblick des beach-volleyballernden Christenmenschen Westerwelle im Badehöschen rufen: Nero, lass die Löwen los!

Sport ist ein weites Feld. Seit Jahrzehnten, speziell seit dem WM-Finalsieg der Deutschen 1974 über die Niederlande, ist es hierzulande guter Brauch, die Holländer rund zu machen. Das liegt weniger daran, dass ihre Nationaltrikots auch unsere Müllmänner gut kleiden. Man witzelt chauvinistisch über die Nulpen aus Amsterdam und Umgebung, weil sie (seit jeher in der Welt zu Hause) in schmucken Wohnwagen die Tradition der Karawane hoch halten.

Dabei hat dies ihrer Beweglichkeit nie geschadet. Als van Nistelrooy beim VfB so geradlinig das Tor ansteuerte, als hätte man ihm die schnellste Route auf den Rasen gezeichnet, war klar, dass die sperrige Motorik in der Bundesliga kein holländisches Problem ist. Man denkt sich: lieber im Wohnwagen als im Schlafwagen.

Das erinnert mich daran, wie ich am Samstag mit dem Sportsfreund Reiner Schloz im Autoradio den Bundesliga-Übertragungen lauschte und die übliche Fernsehkonferenz keine Sekunde vermisste. „Im Fernsehen siehst du viel Bundesliga“, sagte Schloz, „aber wenig Fußball.“

Man sollte die Holländer-Witze einstellen. Zum einen schossen in München van Bommel und Robben trotz des Anblicks ihres Landsmanns van Gaal zwei Tore. Zum anderen gab van Nistelrooy auch nach dem Spiel eine so gute Figur ab, dass es jeder gemerkt haben müsste: Der holländische Weltstar gibt sich weit bescheidener als deutsche Provinzkicker, die sich wie Weltstars vorkommen. Auf dem Rasen und im Interview verbeugte sich der zweifache Torschütze vor den Hamburger Fans. Er sei verpflichtet, ihnen etwas zurückzugeben, sagte er wie einer, dem man glaubt.

Deutsche Fußballkultur hingegen ist auch für Laien leicht zu verstehen. Als Hannover nach einem 0:4-Rückstand zur Pause und dem Anschlusstreffer noch eine fünfte Kiste kassierte, einigten sich Sportsfreund Schloz und ich am Autoradio, dass die Alleinschuld Trainer Slomka trifft: Er hatte zur Halbzeit falsch ausgewechselt.

Ich denke, wer sich mit der Schweißerfahrung Sport auseinandersetzt und die Regeln des Kampfes trotz des zeitgenössischen Event-Getues begreift, käme nicht auf die Idee, bei sozial angeschlagenen Menschen „römische Dekadenz“ zu vermuten.

Bevor Schloz und ich im Auto Fußball hörten, hatten wir unseren Ex-Kollegen und Freund Bruno Bienzle im Krankenhaus besucht. Er liegt dort seit Ende Oktober 2009. Als ich die Tür seines Zimmers öffnete, tat ich es mit der Angst eines Menschen, der ins Ungewisse tritt, der die Veränderung fürchtet.Bruno Bienzle, noch nicht lange in Rente, ist nach einem Radsport-Unfall vom Hals abwärts gelähmt.

In den Siebzigern hat er uns etwas über das Leben und das Schreiben beigebracht, und er hat mich mit zu Spielen der Stuttgarter Kickers genommen. BB hat Schloz und mir damals gesagt, warum es nicht falsch ist, etwas über die Moral des Mannschaftssports Radrennen zu wissen, wenn man die Psyche des Fußballspielers verstehen will. BB liegt gelähmt im Krankenhaus. Aber er kann sprechen, und seine Würde hat er behalten, seine Haltung, seinen Humor.

Wir unterhielten uns gut, wie vor dem Unfall. Wir lernten etwas über einen Mann, der die Regeln des sportlichen Kampfes mit allen Tücken als Verpflichtung fürs Leben verinnerlicht hat. Diese Werte halten ihn hellwach. Es geht weiter.

@KOMMENTAR LESERSALON





 

 

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