Bauers Depeschen


Montag, 30. November 2009, 406. Depesche



BETR.: WIND



Das 0:0 der Stuttgarter Kickers gegen den VfR Aalen war Gift. Die ewigen Unentschieden bereichern nicht das Leben. Sie verkürzen es.

Es war kalt und windig auf der Waldau. Die Ostalb-Möchtegerne (in ihren orangefarbenen, mit kackbraunem Einsatz auf dem Rücken und blauer Reklame auf der Brust verunstalteten Trikots) hätte man allein aus Gründen des Stils wegmachen müssen. Tabellenführer hin oder her.

Noch kurz zum VfB in Leverkusen. Abwehrspieler Serdar Tasci: "Wir haben einen Scheiß hier gespielt. Wir haben einfach Scheiße gespielt. Von der ersten Minute bis zur letzten Minute war es ein Scheiß!"

Was könnte Tasci damit meinen?

Ich gönne mir heute und morgen noch Urlaub mit dringend notwendigen sportlichen Trainingseinheiten, dann geht das Kolumnen-Geschäft wieder los. Nach einem Sonntagsausflug ins Longhorn zu Bela B. und der großartigen (von Franz Dobler per Rund-Mail empfohlenen) Country-Band Smokestack Lt. im Vorprogramm ein kleiner Spaziergang im Wind:



SONNTAG MIT JEANETT



Im Radio sagten sie, der Wind werde kommen. Ein Sturm. Sie nannten ihn Jeanett. Es war Sonntag, und ich wollte den Sonntag mit Jeanett verbringen. Ich dachte, es sei besser, Jeanett lautlos zu erleben, ihr Fauchen und Stöhnen nicht zu hören. Ich schob meinen Walkman in die Jackentasche und ging zum Regal, eine passende CD zu suchen.

Sie hatten gesagt, der Wind werde kommen, ich steckte eine Neunziger-Jahre-CD von Screaming Trees in die Jackentasche. Das ist gut, dachte ich. Screaming Trees. Die Bäume werden heulen, wenn Jeanett ihre Kronen zersaust, das Herbstlaub in die Straßen bläst und die Äste bricht.

Ich ging zu Fuß auf den Schlossplatz, ich dachte, hier könnte Jeanett eine gute Figur machen. Jeanett war bisher nicht besonders stark an diesem Sonntag in der Stadt, man könnte sagen: zurückhaltend, sie ging nicht aus sich raus, ließ sich nicht fallen.

Ich hörte die Lieder der Screaming Trees. In der Königstraße mischten sich die Klänge eines Bläser-Quartetts aus St. Petersburg in mein Lied, zwei Posaunen, Trompete, Flügelhorn. Es ist ein erhebendes Gefühl, auf der Straße Rock’n’Roll von der Platte mit echter Bläser-Begleitung zu hören, den wehenden Haaren der Frauen zu folgen und darauf zu warten, dass Jeanett endlich kommt. Man denkt, man geht durch die Kulissen eines Films, den Soundtrack auf den Ohren.

Wenigstens hatte Jeanett es geschafft, die Wolken zu verjagen, sie hatte den Himmel aufgerissen. Aus den Brunnen auf dem Schlossplatz schossen Fontänen. Das sah mondän aus. Ich hätte auch Jimi Hendrix auflegen können, es hätte zum Tag gepasst. Der Literaturkritiker Friedhelm Rathjen hat für sein Buch „A Tribute to Jimi Hendrix“ Texte übersetzt:



DER WIND GREINT MARY

Sind erst alle Clowns in ihren Betten

Die Klappen zu, die Affen tot

Dann kannst du hörn, wie das Glück durch die Straßen irrt

Schritte ganz in Rot

Und der Wind flüstert Mary



Keine Ahnung, was Jeanett mir flüstern könnte. Womöglich würde sie mir die Kopfhörer von den Ohren blasen, weil sie Screaming Trees nicht mag. Tat sie nicht, sie hat eine andere Art von Humor. Unter den Bäumen Richtung Planie fegte sie mir eine Kastanie an den Kopf. Das tat weh. Ich machte keinen Mucks, in der Hoffnung, keiner habe es bemerkt. Es sieht scheiße aus, wenn einer mit einem Kopfhörer auf den Ohren von einer Kastanie am Kopf getroffen wird.

Als ich auf dem Heimweg ein Motorrad auf dem Bordstein liegen sah, empfand ich Schadenfreude. Jeanett hatte die Maschine umgeblasen, eine Honda. Ich sah die Sache als Rache für die Kopfnuss.

Erst später bekam ich es mit der Angst zu tun, als ich kurz vor meiner Wohnung in die Scherben einer Fensterscheibe auf dem Gehweg trat. Ich bat den mir unbekannten Motorradfahrer um Vergebung, obwohl er eine Honda hat.

Adieu, Jeanett, war nicht viel los mit uns an diesem Sonntag. Eines Tages, wenn ich die Kopfhörer abgenommen habe, werde ich es hören: Der Wind greint Jeanett.



LETZTER AUFRUF: Kleine Flaneursalon-Matinee mit Stefan Hiss, Dacia Bridges & Alex Scholpp und unsereinem am kommenden Sonntag, 6. Dezember, in der Vaihiger Kneipe Maulwurf. Beginn bei Weißwurst und Erfrischungsgetränken: 11 Uhr. Reservierungen: 0711 / 6 73 24 06



Kontakt





 

 

Auswahl

27.08.2022

24.08.2022

22.08.2022
17.08.2022

14.08.2022

10.08.2022
07.08.2022

06.08.2022


Depeschen 2281 - 2310

Depeschen 2251 - 2280

Depeschen 2221 - 2250

Depeschen 2191 - 2220

Depeschen 2161 - 2190

Depeschen 2131 - 2160

Depeschen 2101 - 2130

Depeschen 2071 - 2100

Depeschen 2041 - 2070

Depeschen 2011 - 2040

Depeschen 1981 - 2010

Depeschen 1951 - 1980

Depeschen 1921 - 1950

Depeschen 1891 - 1920

Depeschen 1861 - 1890

Depeschen 1831 - 1860

Depeschen 1801 - 1830

Depeschen 1771 - 1800

Depeschen 1741 - 1770

Depeschen 1711 - 1740

Depeschen 1681 - 1710

Depeschen 1651 - 1680

Depeschen 1621 - 1650

Depeschen 1591 - 1620

Depeschen 1561 - 1590

Depeschen 1531 - 1560

Depeschen 1501 - 1530

Depeschen 1471 - 1500

Depeschen 1441 - 1470

Depeschen 1411 - 1440

Depeschen 1381 - 1410

Depeschen 1351 - 1380

Depeschen 1321 - 1350

Depeschen 1291 - 1320

Depeschen 1261 - 1290

Depeschen 1231 - 1260

Depeschen 1201 - 1230

Depeschen 1171 - 1200

Depeschen 1141 - 1170

Depeschen 1111 - 1140

Depeschen 1081 - 1110

Depeschen 1051 - 1080

Depeschen 1021 - 1050

Depeschen 991 - 1020

Depeschen 961 - 990

Depeschen 931 - 960

Depeschen 901 - 930

Depeschen 871 - 900

Depeschen 841 - 870

Depeschen 811 - 840

Depeschen 781 - 810

Depeschen 751 - 780

Depeschen 721 - 750

Depeschen 691 - 720

Depeschen 661 - 690

Depeschen 631 - 660

Depeschen 601 - 630

Depeschen 571 - 600

Depeschen 541 - 570

Depeschen 511 - 540

Depeschen 481 - 510

Depeschen 451 - 480

Depeschen 421 - 450

Depeschen 391 - 420

Depeschen 361 - 390

Depeschen 331 - 360

Depeschen 301 - 330

Depeschen 271 - 300

Depeschen 241 - 270

Depeschen 211 - 240

Depeschen 181 - 210

Depeschen 151 - 180

Depeschen 121 - 150

Depeschen 91 - 120

Depeschen 61 - 90

Depeschen 31 - 60

Depeschen 1 - 30




© 2007-2024 AD1 media ·