Bauers Depeschen


Mittwoch, 08. August 2007, 54. Depesche

Als mir am Mittwochmorgen auf dem Stuttgarter Karlsplatz eine noch grün und stachelig verpackte Kastanie vor die Füße fiel, fiel mir eine Geschichte vom vergangenen Herbst ein. Sie erschien als "Joe Bauer in der Stadt"-Kolumne in den Stuttgarter Nachrichten und ist nicht verwelkt: Aus dem Buch, um das es geht, fallen noch frische Blätter.



MANUEL DER WANDERSMANN



Im Schlossgarten kann man jetzt Kastanien auflesen. Als ich neulich ins Bad Berg ging, hätte ich mir die Taschen damit füllen können. Dabei bin ich gar nicht weit gelaufen, bin kein Wandersmann wie Manuel Andrack, der B-Komiker aus der "Harald Schmidt Show".

Manuel der Wandersmann hat ein Buch mit dem Titel "Wandern" (Kiepenheuer & Witsch) geschrieben, darin findet sich die grammatikfreie Überschrift "Die Kunst Spazieren zu gehen" mit dem Untertitel "Eine dramatische Komödie". Als "Personen" werden die württembergischen Könige Friedrich I. und Wilhelm I., "Alte Männer im Unterhemd" sowie "Alte Männer ohne Unterhemd" genannt. Schauplatz "ist Stuttgart, die Zeit Mai 2006".

Warum Andrack seinen Schüleraufsatz "dramatische Komödie" nennt, weiß ich nicht. Womöglich ist es die Pflicht eines Komiker-Knechts, auch unfreiwillig komisch zu sein. "Auf eine besonders frappierende Parkdichte stieß ich bei meinen Recherchen in Stuttgart", schreibt er. Entsprechend verblüfft latscht er dahin, bevor die Heide brennt. Im Oberen Schlossgarten erstellt er die erste Sozialanalyse: "Wie in einem gepflegten Kurpark fanden sich hier drei Schachbretter mit Großfiguren, der Inbegriff der anspruchsvollen Rentner-im-Park-Beschäftigung."

Vom Missgeschick, im Rentnerpark drei Bretter vor dem Kopf zu haben, gerade erholt, geht er an die Wurzeln der Folklore: "Schwäbisch-gründlich hingen in einem Baum zwei Besen und ein Regenschirm, um die Bahnen vom Laub zu befreien und gegen plötzlich auftretende Unwetter gewappnet zu sein."

Und kaum hat er die Existenzberechtigung unserer Feuerwehr mit dem Hängerdasein eines Regenschirms in Frage gestellt, führt er auch schon unsere Gärtner vor: Im Unteren Schlossgarten entdeckt er "englischen Stil", aber auch schwäbische Schlampigkeit: "Der Rasen war alles andere als englisch kurz getrimmt. Lag es an den leeren Kassen der Stadt Stuttgart, oder wurde unter dem Deckmantel der Ökologie geschludert? Dafür fehlten die Schilder, die das Betreten der Rasenfläche verboten. Wo kein Rasen ist, sondern eher eine Wiese, kann man das Betreten auch nicht verbieten."

Abgesehen davon, dass wir im Park das Gras nicht wachsen lassen, um rheinische Kleingeister, sondern exotische Tiere in der Wilhema zu füttern, betrachten wir den Park weniger als Guantánamo-Filiale denn als Freigehege. Jetzt aber kommt's. Andrack sah "Männer über 60, die mit Unterhemd oder, noch schlimmer, nacktem Oberkörper auf den Bänken saßen. Kann man das nicht verbieten? Genauso wie in einigen Städten, zum Beispiel Köln, das Füttern von Tauben durch empfindliche Geldstrafen drastisch zurückgegangen ist, sollte es eine Nackte-Oberkörper-Strafe geben und eine Verhüllungspolizei . . ." (Und vielleicht ein paar verhüllte Glatzköpfe, die den Rest erledigen.)

"Es gibt einfach nichts Unästhetischeres als weiße, nackte Altmännerbäuche", schreibt Andrack. "Vor allem wenn man erst aus nächster Nähe erkennt, dass sich unter dem schlappen Hautlappen überhaupt eine Hose befindet." Obwohl man auch aus nächster Nähe nicht erkennt, dass sich hinter Andracks schlapper Wanderstiefelpoesie überhaupt ein Kopf befindet, denkt er sich am Ende auch noch "eine neue Imagekampagne für Stuttgart" aus. So fordert er die Slogans "Grüne Hölle Stuttgart", "Wald & Wiesenstadt Stuttgart" und "Parkstadt Stuttgart".

In Stuttgart zu parken, Herr Andrack, das ist die Hölle. Schlappen Sie einfach weiter, bevor es Ihr Hautlappen macht.





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