Bauers Depeschen


Freitag, 06. April 2018, 1926. Depesche



FLANEURSALON IN CANNSTATT:

ES GIBT NOCH KARTEN

Einen der wenigen FLANEURSALON-Abende in diesem Jahr machen wir am Donnerstag, 19. April, in Cannstatt - in erlesener Besetzung im schönen Saal des Stuttgarter Stadtarchivs, neben der Kulturinsel. Die Sängerin Marie Louise ist mit ihrem Gitarristen Zura Dzagnidze bei uns, der junge syrische Sänger/Gitarrist Mazen R Mohsen tritt auf, Loisach Marci muss wieder ran - und Timo Brunke führt durch den Abend. Meine Stuttgarter Lieder- und Geschichtenshow ist offiziell im Beiprogramm der Stadtarchiv-Ausstellung "Kessel unter Druck - Protest in Stuttgart 1945 - 1989". Und womöglich hab ich zu diesem Thema nebenbei auch ein paar Sätze im Kessel. Das Stadtarchiv ist ohnehin einen Besuch wert: Man nennt es das "Gedächtnis der Stadt". Es gibt noch Karten. Hier der Klick zum Vorverkauf: RESERVIX

 

HEUTE STRASSENAKTION: JOURNALISTENSTREIK

An diesem Freitag, 6. April, findet auf der Königstraße am Schlossplatz eine Aktion zum Streik der ZeitungsjournalistInnen statt - 11 Uhr bis 13 Uhr. Musik machen Anja Binders neue Band my COopers tApe und Toba Borke & Pheel. Es sprechen der Betriebsseelsorger Guido Lorenz, der DGB-Landesvorsitzende Martin Kunzmann und der Porsche-Betriebsratsvorsitzender Uwe Hück. Unsereins gibt den Ansager.



Hört die Signale!

MUSIK ZUM TAG



Die aktuelle StN-Kolumne:

KESSELKULTURWACHE

Heute spaziere ich in die ersten Mückenschwärme des Frühlings und in die dunklen Wolken der Zukunft hinein. Am 28. Mai 2019 finden Kommunalwahlen statt, und der Wahlkampf läuft schon auf Hochtouren, weil die meisten Parteien auch ohne Wahltermin Politik nur noch mit Blick auf Wählerstimmen inszenieren. Diese Bauernfängerei nennt man heute Marketingpolitik oder Politikmarketing. Früher hieß das Propaganda.

Wann unsere ehrenwerten Kandidatinnen und Kandidaten offiziell in den Ring um Stimmen steigen werden, weiß ich nicht. Vermutlich warten sie erst noch das Ende der politischen Unruhen bei der Fußball-WM vom 14. Juni bis zum 15. Juli im schönen Russland abwarten, um mit ihrem Provinzkram nicht zwischen Messi und Merkel, Boateng und Putin ins Abseits zu geraten. Mittendrin im russischen Roulette sitzt garantiert auch unser Finanzmittelsmann Gerhard „Gas-Gerd“ Schröder, während Trump bei der WM nicht dabei ist, weil der US-Fußball nach dem Rauswurf unseres schwäbischen Bäckerburschen Jürgen Klinsmann als Trainer auch nicht mehr das ist, was er eh nie war. Im langen Schatten des Soccer-Spektakels kann Donald dann relativ unbeachtet in die noch nicht eroberten Strafräume dieser Welt eindringen.

Wir in unserem Kessel müssen angesichts der bevorstehenden Kommunalwahlen unterdessen das Schlimmste verhindern. Anders als auf Bundesebene verfügen wir in unserer kleinen Gemeinde über kein Heimatministerium, das Bayerns hängender Rechtsaußen Seehofer neulich versehentlich „Heimatmuseum“ genannt und ist damit der Wahrheit sehr nahegekommen: Er selbst ist ein folkloristisches Exponat mit reichlich politischer Patina. Bekanntlich wurde sein Berliner Heimatmuseum mit dem Ministerium für Inneres verbandelt, damit die CDU/CSU auch die Kontrolle über die Polizei hat. Die Bundeswehr steht schon länger unter dem Kommando von Flinten-Uschi, sodass alle militärischen Kräfte in einer Hand sind.

Rechtzeitig vor dem Kommunalwahlkampf schlage ich allen halbwegs demokratischen Bürgerinnen und Bürgern vor, rasch ein volkseigenes Heimatministerium zu gründen und ihm ein Verteidigungsministerium ohne scharfe Waffen anzugliedern. Das Rathaus muss gegen demokratiefeindliche Eindringlinge verteidigt werden, gegen Heimatnachtwächter, die alle als Eindringlinge diffamieren, die nicht in ihre museale, nationalistische oder völkische Vorstellung von Heimat passen.

An dieser Stelle ist es mir wichtig, Kurt Tucholsky zu zitieren, gewidmet allen, die über ihre Schrebergartenscholle hinausschauen: „Wir pfeifen auf die Fahnen – aber wir lieben dieses Land. Und so wie die nationalen Verbände über die Wege trommeln – mit dem gleichen Recht, mit genau demselben Recht nehmen wir, wir, die wir hier geboren sind, wir, die wir besser Deutsch schreiben und sprechen als die Mehrzahl der nationalen Esel – mit genau demselben Recht nehmen wir Fluss und Wald in Beschlag, Strand und Haus, Licht und Wiese: es ist unser Land.“ Diese Sätze findet man unter der Überschrift „Heimat“ in Tucholskys Bilderbuch „Deutschland, Deutschland über alles“; 1929 hat er es zusammen mit dem Künstler John Heartfield gemacht.

Es ist kein Fehler, sich speziell in diesen Tagen ein wenig mit Geschichte zu beschäftigen. Unsere aktuelle Jahreszahl mit der Acht am Ende birgt reichlich Jubiläumsstoff. 1918 wurde die deutsche Revolution von den Ahnen der heute revolutionären Hartz-IV-Verbindung SPD niedergeschlagen. Im März 1938 erfolgte Österreichs „Anschluss“ an das „Dritte Reich“, und am 9. November desselben Jahres, in der Reichspogromnacht, organisierten die Nazis die Verbrechen gegen Juden.

Mit der Ziffer 8 wurde später auch die Studentenrevolte berühmt. „50 Jahre 1968“ ist zurzeit ein musealer und medialer Renner und gilt als voll sexy. Es trifft sich gut, dass am 5. Mai der 200. Geburtstag von Karl Marx im Kalender steht – 170 Jahre nach der Revolution von 1848 und der Veröffent¬lichung des „Kommunistischen Manifests“. (Die Rosa-Luxemburg-Stiftung veranstaltet am Samstag, 14. April, im Bürgerhaus West in der Bebelstraße einen Tag zum Thema „Wen bewegt Marx heute?“)

Diese historischen Daten bieten uns auch vor der eigenen Haustür reichlich spannenden Stoff, der in die Gegenwart führt. Etwa wenn man weiß, dass einer aus Stuttgart zunächst als radikaler Schülerfunktionär auftrat, sich der APO und dem Kommunistischen Arbeiterbund/Marxisten-Leninisten anschloss, ehe er zu Daimler wechselte und später Personalchef bei Telekom wurde. Heute gilt der 69-jährige Neoliberale als Guru digitaler Arbeit und sitzt für die FDP im Bundestag. Im Oktober 1967 saß dieser Herr namens Thomas Sattelberger mit dem Schild „US = SS“ bei einer Vietnam-Demonstration vor dem Stuttgarter US-Konsulat, neben ihm, mit Megafon, Joseph „Joschka“ Fischer und Peter Rauscher, einer der Köpfe der Schüler-Lehrlingsbewegung, später Lehrer und linker Stadtrat in Nürtingen.

Als Sattelberger bei Telekom die sogenannte Auslagerung von 50 000 Mitarbeitern durchboxte, sympathisierte er nicht mehr so richtig mit der sozialistischen Weltrevolution, eher mit dem „Konvent für Deutschland“, einer Lobbygruppe um den ehemaligen BDI-Chef Hans-Olaf Henkel, der später die AfD mit auf den Weg brachte. Diese Partei verfluchte Henkel bald als „Monster“ und trat medienwirksam aus.

Die Ziffer 8 genießt bis heute auch unter Nazis Wertschätzung: „18“ etwa weist auf die Reihenfolge der Buchstaben im Alphabet hin und bedeutet Adolf Hitler. Die Zahl „88“ steht für den „Heil Hitler“-Gruß, der wie einst im Mai bei Aufmärschen mit Rechtsextremisten zu sehen ist.

Bei all diesen Achterbahnfahrten wird mir so mulmig, dass ich die Gründung eines von unabhängigen Bürgerinnen und Bürgern geleiteten Heimatklubs zur Verteidigung unserer Rechte und Würde empfehle. Dieser Laden muss freiheitlichen Boden verteidigen, sobald in den Straßen und Sälen der Kampf um die Sitze im Rathaus tobt. Natürlich darf er nicht an den stockdoofen Namen „Heimatministerium“ erinnern. Vielmehr ist er als demokratische Kesselkulturwache in der Stadt für politische Aufklärung und anständiges Klima, für Lebensfreude und originelle Aktionen zuständig. Bei freien Wahlen müssen wir im Sinne Tucholskys den nationalen Eseln Paroli bieten, solange es freie Wahlen gibt. Dies gilt nicht nur für den Urnengang.



 

Auswahl

27.08.2022

24.08.2022

22.08.2022
17.08.2022

14.08.2022

10.08.2022
07.08.2022

06.08.2022


Depeschen 2281 - 2310

Depeschen 2251 - 2280

Depeschen 2221 - 2250

Depeschen 2191 - 2220

Depeschen 2161 - 2190

Depeschen 2131 - 2160

Depeschen 2101 - 2130

Depeschen 2071 - 2100

Depeschen 2041 - 2070

Depeschen 2011 - 2040

Depeschen 1981 - 2010

Depeschen 1951 - 1980

Depeschen 1921 - 1950

Depeschen 1891 - 1920

Depeschen 1861 - 1890

Depeschen 1831 - 1860

Depeschen 1801 - 1830

Depeschen 1771 - 1800

Depeschen 1741 - 1770

Depeschen 1711 - 1740

Depeschen 1681 - 1710

Depeschen 1651 - 1680

Depeschen 1621 - 1650

Depeschen 1591 - 1620

Depeschen 1561 - 1590

Depeschen 1531 - 1560

Depeschen 1501 - 1530

Depeschen 1471 - 1500

Depeschen 1441 - 1470

Depeschen 1411 - 1440

Depeschen 1381 - 1410

Depeschen 1351 - 1380

Depeschen 1321 - 1350

Depeschen 1291 - 1320

Depeschen 1261 - 1290

Depeschen 1231 - 1260

Depeschen 1201 - 1230

Depeschen 1171 - 1200

Depeschen 1141 - 1170

Depeschen 1111 - 1140

Depeschen 1081 - 1110

Depeschen 1051 - 1080

Depeschen 1021 - 1050

Depeschen 991 - 1020

Depeschen 961 - 990

Depeschen 931 - 960

Depeschen 901 - 930

Depeschen 871 - 900

Depeschen 841 - 870

Depeschen 811 - 840

Depeschen 781 - 810

Depeschen 751 - 780

Depeschen 721 - 750

Depeschen 691 - 720

Depeschen 661 - 690

Depeschen 631 - 660

Depeschen 601 - 630

Depeschen 571 - 600

Depeschen 541 - 570

Depeschen 511 - 540

Depeschen 481 - 510

Depeschen 451 - 480

Depeschen 421 - 450

Depeschen 391 - 420

Depeschen 361 - 390

Depeschen 331 - 360

Depeschen 301 - 330

Depeschen 271 - 300

Depeschen 241 - 270

Depeschen 211 - 240

Depeschen 181 - 210

Depeschen 151 - 180

Depeschen 121 - 150

Depeschen 91 - 120

Depeschen 61 - 90

Depeschen 31 - 60

Depeschen 1 - 30




© 2007-2024 AD1 media ·