Bauers Depeschen


Dienstag, 07. Februar 2017, 1737. Depesche



 



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ACHTUNG,

für den Flaneursalon am Montag, 20. Februar, im KLEINEN SAAL des Gustav-Siegle-Hauses gibt es noch nur wenige freie Plätze. Karten: online EASY TICKET und telefonisch 0711/2555555. Oder auch über das Kartenbüro der Stuttgarter Philharmoniker: 0711/21688990. Vielleicht darf ich auch mal darauf hinweisen, dass unser Eintrittspreis von 16 Euro sehr günstig ist - darin sind die hohen Gebühren von Easy Ticket bereits enthalten.

Bereits an diesem Donnerstag, 9. Februar, sind wir im Esslinger Kabarett der Galgenstricke - mit Zam Helga, Ella Estrella Tischa und Timo Brunke.

Ich freue mich über Zuschriften auf meiner Seite, über Kommentare, Anmerkungen, Tipps - bisschen Leben. Einfach hier klicken: BEITRÄGE schreiben im LESERSALON.



Die aktuelle StN-Kolumne "Joe Bauer in der Stadt"



EIN SONNTAG IN BOTNANG

Der Februar ist ein merkwürdiger Monat. Man weiß nie, ob noch Winter ist oder einfach nur Scheißwetter. Die Stadt scheint immer kleiner und unscheinbarer zu werden. Und in jeder Ecke, habe ich den Eindruck, steht dieser Trump herum oder wirft zumindest seinen Schatten. Diese Hallu­zinationen werden in meinem Fall nicht etwa von den Friseurgeschäften in der Stadt ausgelöst. Die unzähligen Friseur­salons fallen mir erst auf, seit Trumps blondierte Haarkeule die Welt attackiert.

Friseursalons nennen sich selten noch Friseursalons. Sie brezeln sich auf als Haarkunst-Galerien mit landesüblichem Hairforce-Vokabular wie Code, Cut oder Style. Deshalb muss ich wieder mal darauf hinweisen, dass es am Stöckach nach wie vor ein Friseurgeschäft mit dem denkbar schönsten Namen gibt: Salon Härle.

In Wahrheit, sofern es die gibt, rührt mein Trump-Syndrom nicht vom oft schlecht bezahlten Haarschneider-Handwerk her. Vielmehr bin ich zu oft im Internet unterwegs, wo ich auf Schritt und Tritt Trump begegne. Inzwischen habe ich sogar von ihm geträumt. Und dafür ist diesmal nicht der Feinstaub verantwortlich, dieses Kesselgift, das nicht nur mir das Hirn vernebelt.

Bei allen Wirrungen bilde ich mir ein, noch nicht gänzlich das Opfer gestörter Wahrnehmungen zu sein. Es gibt in dieser Stadt zum Glück noch ein paar öffentliche Reha-Stationen. Ich darf mitteilen, dass mein Umzug vom Mineralbad Berg – es wird zwei Jahre lang umgebaut – ins Mineralbad Cannstatt voll geglückt ist. Allein das 18 Grad frische, erregend prickelnde Wasser aus dem Wilhelmsbrunnen ist nach der Katharsis in Sauna und Dampfbad eine große Hilfe fürs Wiedereintauchen ins wirkliche Leben. In der Sauna ist man auch vor Trump sicher, weil sich reaktionäre Amis zum Schutz ihrer Lächerlichkeit nie ohne Badehose in die Sauna setzen. Bei uns ist Schwitzen in Badehosen verboten.

Peinlich an meinem neuen Jungbrunnen ist nur eine etliche Jahre alte Plane an der Fassade; darauf sieht man ein Model mit Dirndl, Hut und Kussmund und darunter einen der dümmsten aller Stuttgarter Werbesprüche: „Es bleibt dabei. Die schönsten Badenixen kommen aus Cannstatt.“ Man ahnt, was sich für den Werbetexter auf Nixen reimt.

Mein Hauptbadetag ist nach alter Sitte der Samstag, weshalb ich mich sonntags nach einem weiteren morgendlichen Ganzkörpereinsatz im Dachswald halbwegs furchtlos in die Staubstadt traue. So geschah es, dass ich am Sonntag bis nach Botnang vordrang. An der Haltestelle Lindpaintnerstraße stieg ich aus. Zufällig hatte ich eine Kuchenschachtel aus dem Café Stöckle unterm Arm, was sich bald als nützlich erweisen sollte: In der Beethovenstraße 68 traf ich auf eine große Kaffeerunde. Zufällig hingen ein paar Transparente am Haus: „Bezahlbaren Wohnraum erhalten statt abreißen“ usw.

Die Beethovenstraße 68 ist einer von drei stattlichen Häuserblöcken mit insgesamt 48 preisgünstigen Mietwohnungen, die nach dem Willen des Bau- und Wohnungsvereins Stuttgart (BWV) abgerissen werden sollen. Das Immobilienunternehmen will neue Häuser mit wesentlich teureren Wohnungen bauen. Nur noch zwei Mieter trotzen den Abrissplänen und harren im Haus aus. Einer von ihnen ist der Verpackungsingenieur Wolfgang Reitzig. Seit 43 Jahren lebt er mit seiner inzwischen 91 Jahre alten Mutter im Gebäude 68. Er hatte für den Sonntag engagierte Bürger der Stadt, darunter ein paar Mitglieder des Gemeinderats und ehemalige Nachbarn, zu Kaffee und Kuchen eingeladen. Einer brachte eine Gitarre mit, er spielte gut.

Kein Grund für Alarm, verehrte Wächter von Recht und Ordnung, das war kein Hausfriedensbruch, sondern eine friedliche Aktion. In einem Haus mit leer stehenden Wohnungen kann kein Mensch den Frieden brechen – sich aber in einer noch intakten Wohnung vom Bruch des Rechts auf Wohnen überzeugen. Im Haus sahen wir, wie erhaltenswerter Wohnraum zerstört wird in einer Stadt, die von akuter Wohnungsnot bedroht ist. In der Beethovenstraße geht man durch schön geschnittene Räume über echte Holzdielen. Der legendäre Stuttgarter Bankier und Sozialreformer Eduard Pfeiffer hat die Siedlung vor 90 Jahren bauen lassen.

Erst neulich war in dieser Zeitung zu lesen: „Wer in Stuttgart wohnt, zahlt rund 50 Prozent mehr Miete als der Bundesdurchschnitt.“ Damit nimmt die Stadt die Spitzenposition in der fatalen Mietentwicklung der Republik ein. Auch im Umland steigen die Mieten drastisch. Seit Jahrzehnten gibt es keinen nennenswerten sozialen Wohnungsbau mehr. Die Stadt selbst baut sowieso nicht, subventioniert lieber Investoren. Zigtausend Sozialwohnungen in Stadt und Land wurden in den vergangenen Jahren im Zusammenspiel von Landesbank und Politik an die Heuschrecken verkauft. Immer mehr Menschen mit geringem oder durchschnittlichem Einkommen, wie Krankenpflegerinnen oder Polizisten, werden aus der Stadt vertrieben. Diese Entwicklung ist gefährlich. Während Trump die Medien und Diskussionen beherrscht, drängt die Immobilienpolitik mit ihrer Beschwörung des „freien Markts“ immer mehr Menschen an den Rand der Gesellschaft. Die Betongold-Profite haben besonders auch in Stuttgart den seit Jahren grassierenden Abriss- und Mietenwahnsinn befördert. Selbst politisch gemäßigte Betroffene, das ist meine Erfahrung von Hausbesuchen in vom Abriss bedrohten Siedlungen wie etwa in Zuffenhausen, machen grundlos die sogenannte Flüchtlingskrise für die Wohnungsnot verantwortlich. Wohin das bei Wahlen führt, kann man sich nicht erst seit Trump denken.

Als Abrissgrund nennen Immobilienfirmen stets nicht erhaltenswerte Substanz. Die Sanierung käme zu teuer. Architekten und Gutachter, die nicht von den Immobilienfirmen bezahlt werden, kommen oft zu einem anderen Urteil. Die Frage, warum solche Häuser in der Vergangenheit nicht besser und pflichtgemäß instand gesetzt wurden, erübrigt sich.

So viel vom Kaffeekränzchen in der Beethovenstraße. Es müsste, Trump zum Trotz, mehr solcher Sonntage geben.



 

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