Bauers Depeschen


Samstag, 05. März 2016, 1599. Depesche



 



SONNTAGSSENSATION: Dynamo Dresden - Stuttgarter Kickers 1:1



ES GIBT NOCH KARTEN für den bevorstehenden FLANEURSALON: Wir treffen uns am Dienstag, 22. März, in der Friedenau in Ostheim. Mit den Musikern Stefan Hiss, Marie Louise & Zura Dzagnidze. Durch den Abend führt Michael Gaedt. Im schönen Wirtshaussaal der Friedenau werden ab 18 Uhr Essen & Getränke serviert. Ab 20 Uhr gibt es Lieder, Geschichten und andere Merkwürdigkeiten. Reservierungen: 0711/2626924.



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LIED DES TAGES



Die aktuelle StN-Kolumne:

BRÜCKEN

Bei der feuchten Kälte wie in diesen Tagen geht der Spaziergänger gern mal memmenhaft ins Warme. Ein Kantinengespräch ist immer eine schöne Sache, vor allem im Staatstheater, wo die Leute seit geraumer Zeit unter Kronleuchtern sitzen. Große Schwarzweiß-Abbildungen zeigen, wie der Saal 1912 ausgesehen hat, als er noch für die Besucher geöffnet war. Heute ist die Kantine Treffpunkt für 1350 Theatermitarbeiter aus mehr als 50 Nationen.

Ich plaudere mit Thomas Koch, dem Direktor Kommunikation der Staatsoper. Am Sonntag war er einer der maßgeblichen Organisatoren von „Shakespeare in Love“, dem Fest vor der Oper. Dieses bunte, im wahren Sinn des Wortes urbane Ereignis ist keineswegs Vergangenheit. Womöglich haben wir bei diesem Freilicht-Vergnügen die Zukunft der Stuttgarter Kultur erlebt: den Brückenschlag zwischen verschiedenen Bühnen und Häusern, das Zusammenspiel von vermeintlich konträren Kunst- und Darstellungsformen.

Zu den etablierten Institutionen wie Oper, Ballett und Schauspiel, Kunstmuseum und Württembergischer Kunstverein, Literaturhaus und Akademie Schloss Solitude stießen Leute aus der freien Szene: der experimentierfreudige Projektraum Lotte, Polywaggons (Christopher Street Day), die Aktionsgruppe CIS. Zusammen präsentierten sie die zeitgemäße Form eines globalen ­Varietés. Es gehe darum, Barrieren abzubauen zwischen Kunstformen, Künstlern und Publikum, sagt Thomas Koch.

So begegneten sich vor der Oper die virtuose Schlitzohrigkeit des Hofnarren Puck aus dem „Sommernachtstraum“ und die gewitzte Aufmüpfigkeit der Band Ursus: Hochkultur traf auf fröhlichen, feminin gefärbten Dorfpunk. Auf der Operntreppe sangen die große internationale Sopranistin Ana Durlovski (mit umgehängter E-Gitarre) und der Bassist Eric Ander, die Schauspieler Manuel Harder und Michael Stiller traten auf – um nur einige der Protagonisten dieser grenzenlosen Spiele zu nennen.

Es war eisig kalt, dennoch kamen mehr als 2000 Besucher, und die meisten wurden rasch selber Akteure: Sie tanzten und sangen, sie diskutierten und applaudierten. Alles war in Bewegung. Luftballons. Große und kleine Menschen. In einer Ecke wurden Möbel gezimmert: Handwerk als Dialog. Und über allem hing eine großes Transparent an der Opernhausfront: „Vielfalt“.

Dieser letzte Sonntag im Februar 2016 war kein x-beliebiger Tag. Auf dem Schillerplatz versammelten sich 4500 konservative (darunter auch rechtsextreme) Bildungsplan-Gegner bei der „Demo für alle“, einem neuerlichen Aufmarsch gegen die angebliche „Sexualisierung“ und „Verschwulung“ von Schulkindern.

Schon als im Oktober 2015 die „Demo für alle“-Organisation – wohl scharf auf eine Kulisse im Stil der Pegida-Aufmärsche vor der Dresdner Semperoper – als finalen Schauplatz das Gelände vor den Staatstheatern gewählt hatte, ließen Mitglieder der Bühnen das „Vielfalt“-Transparent herunter. Ein feiner Rapunzel-Effekt.

Mit dem Opernhaus als „Demo für alle“-Hintergrund, sagt Thomas Koch, könnte der falsche Eindruck entstehen, die Bühne stehe hinter den Zielen der Vielfalt-Gegner. „Wir haben auf künstlerische Art mit einer Performance darauf reagiert.“

Ulrike Groos, die Direktorin des Kunstmuseums am Schlossplatz, sagt: „Wir wollten keine Gegendemo, sondern auf dem Parkplatz vor der Oper etwas Eigenes veranstalten, ein positives Zeichen setzen. In diesen Tagen ist es für alle Kulturhäuser wichtig, Position zu beziehen. Unser Thema in der Kunst ist immer die Überwindung von Grenzen, auch zwischen den Grenzen der Nationen.“

Thomas Koch hatte den Platz am Eckensee rechtzeitig reserviert: als Bühne für Aktionen zu Henry Purcells Oper „Fairy Queen“, die der spanische Regisseur Calixto Bieito nach Motiven von Shakespeares „Sommernachtstraum“ inszenierte. In dieser Aufführung mischen sich Schauspiel und Oper, und die Mix-Idee an sich, die Vernetzung möglichst vieler Bühnen und Foren der Stadt, bewegt nicht erst seit gestern die Kunstleute im Kulturareal des erweiterten Schloss­garten-Bereichs. „Stuttgart ist ein Glücksfall“, sagt Ulrike Groos, „die Wege zwischen den verschiedenen Häusern sind heute so kurz wie noch nie, es gibt eine wunderbare Zusammenarbeit unter den Kollegen.“

Das Kulturfest unter dem Motto „Vielfalt“ wird mit Sicherheit seine Fortsetzung finden, wenn die Temperaturen etwas freundlicher sind. Das zukunftsweisende Februar-Stück in der Kälte, mit vollem Einsatz von Künstlern (und etwas Sorge um die Musikinstrumente) aufgeführt, blieb in der Öffentlichkeit leider im Hintergrund: Am Ende dominierte der Polizeibericht über Demo und Gegendemo nebenan. Die Schuld an Ausschreitungen wurde wie üblich allein den sogenannten Linksautonomen zugeschrieben – wogegen das Vorgehen der Polizei und die Provokationen Unbekannter, die garantiert nicht zu den Linken zählten, keine Rolle spielten. Einige Szenen habe ich mit eigenen Augen gesehen, am Alten Schloss und an der Hauptstätter ­Straße, und trotz aller Skepsis gegenüber Privateindrücken frage ich mich, ob die ohnehin übermächtige Polizei bei ihren Kavallerie- und Tränengas-Attacken immer die Verhältnismäßigkeit im Blick hat.

Deeskalation aber ist ein anderes Kapitel im Umgang mit öffentlichem Raum. In der Theaterkantine erzählt mir Thomas Koch von den künstlerischen Plänen der Stuttgarter Gegenwart, das Miteinander und die Vielfalt der Menschen zu befördern. Die naturgemäß weltoffenen Ideen der Kunst schaffen ein Klima, die man städtisch nennt, und ein städtisches Klima ist wichtig, wenn Vorurteile und Hass gegenüber allem ­Fremden das Zusammenleben vergiften.

Bei Kälte in der Stadt, dachte ich auf dem Heimweg, sollten nicht nur alte Memmen wie ich öfter mal den Geist der Theaterkantine atmen.



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