Bauers Depeschen


Freitag, 15. Mai 2015, 1461. Depesche



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LIED DES TAGES

(B. B. King +)

 

Die aktuelle StN-Kolumne "Joe Bauer in der Stadt":



DIE PROPELLER DES BÖSEN

Das Flanieren ist eine traditionsreiche Übung, seine Umgebung kennenzulernen. Ein Flaneur streift ziellos durch die Stadt oder die Natur. Weshalb unsereins in vielen Fällen kein richtiger Flaneur ist, eher ein Herumstiefler mit gewissen Absichten. Die unwürdigsten Durch-die-Gegend-Stolperer sind allerdings jene, die Sightseeing-Touren unter dem Etikett „Flanieren“ ­anbieten. Sie sind nicht am Müßiggang, sondern am Geschäft interessiert.

Friedrich Nitzsche hat über das Gehen, über das Zusammenspiel von Fuß- und Kopfarbeit gesagt: „So wenig als möglich sitzen; keinem Gedanken Glauben schenken, der nicht im Freien geboren ist und bei freier Bewegung.“ Bei dieser Sicht der Dinge wird es eng für unsere ­Parlamentssklaven und Meetingknechte.

Ich mache mich auf den Weg zum Tauschwald. Keine Spur von Ziellosigkeit: Straßenbahnlinie 6, Richtung Gerlingen, Haltestelle Wolfbusch. So heißt der kleinste Ortsteil des Stadtbezirks Weilimdorf im Stuttgarter Nordwesten. Im gesamten ­Bezirk Weilimdorf mit Stadtteilen wie Giebel und Hausen wohnen mehr als 30 000 Menschen. Die Leute in der Gegend haben im Lauf der Jahrhunderte viel mitgemacht. Die Pest, marodierende Franzosen-Truppen, Hungersnöte, Bombennächte.

Den größten Katastrophenalarm aller Zeiten aber rufen die Bürger der Gegenwart aus. Die Stadtwerke wollen am Rande des ­Weilimdorfer Hoheitsgebiets, im Tauschwald zwischen Feuerbach und Botnang, zwei (2) Windräder zur Stromgewinnung aufstellen. Vor dieser Bedrohung warnt die ­„Bürgerinitiative Pro-Tauschwald“ in Flugblättern: „Rettet den Tauschwald“.

Ich bin nicht angereist, um den Wald zu retten. Will nur schauen, wie er aussieht, der Wald. An der Haltestelle Wolfbusch steht ein Wirtshaus mit dem Logo des Sport­vereins SG Weilimdorf, es heißt „Blick ­Solitude“. Der Name ist vermessen, man braucht Adleraugen, um etwas vom fernen Schloss Solitude zu sehen. Vor uns die ­Kirche, wir gehen Richtung Friedhof. Ich sage „wir“, weil ich einen Scout mitgebracht habe, den großen Fährtensucher Max. Er kann Landkarten lesen, ich nicht; Ziellosigkeit braucht keinen Kompass. Lieber zu weit gehen als gar nicht.

In der Gegend der Haltestelle heißen die Straßen Bussardweg und Reiherhorst, Rebhuhnweg und Kahlhieb. Ja, Kahlhieb. Wir gehen am Friedhof vorbei, lassen deutsche Schrebergärten links liegen und steuern einen Wald an, der noch nicht der Tauschwald ist. Es tut gut, im Wald zu sein, an diesem heißen Tag, wenn die Menschen im Mief des Talkessels schmoren und den Feinstaub aus ihren Lungen husten. Ich denke an die armen Leute in ihren Wohnungen an der Hohenheimer Straße, eingenebelt und zugelärmt von der Stadtautobahn. Ich denke am mich, wie ich später auf einem Gartenstuhl am Rand des Leonhardsviertels sitzen werde, tief beseelt vom optischen, chemischen und akustischen Dreck der Hauptstätter Straße.

Wir überqueren einen kleinen Bach, und dann geht es bergauf, bis der Schweiß in den Augen brennt. Die Waldwege sind gut ausgebaut, der Forst wurde von Menschenhand maschinengerecht angelegt für den Abtransport der Baumstämme mit archaischen Holzvollerntern und Schwertransportern. Mir gefällt dieses ­Revier. Es gibt mir das Gefühl, in Stuttgart weit weg zu sein von Stuttgart.

Fährtensucher Max hat womöglich nicht die aktuellste Landkarte mitgebracht; beschilderte Waldwege sind darauf nicht zu finden. Nach einer Stunde Marsch treffen wir zum Glück einen Wandersmann mit Walking-Stöcken. Gefragt, wo der berühmte Tauschwald sei, sagt er uns, wir seien mittendrin, kurz vor der Stelle, wo die schrecklichen Windräder aufgestellt werden könnten. Er ist dagegen. Diese Dinger mit ihren Propellern dienen als Symbole der Heile-Welt-Zerstörung. Betroffen wären in Blickweite von einem Kilometer nicht nur Weilimdorfer, sondern auch ­Botnanger und Feuerbacher Bürger. Sie fürchten, der Wert ihrer Häusle, auch Immobilien genannt, könnte um 30 Prozent fallen. Nicht nur Natur und Tiere sind in diesem Kampf gegen die politische Mühle der Windkraft gefährdet. Vor allem geht es um den Egoismus vor der eigenen Haustür, dargestellt als Liebe zur Natur.

Mitten in der vielbeschworenen Idylle des Tauschwalds, in der Nähe des Terrains für die geplanten Todespropeller zur Energie­versorgung von 5000 Haushalten, steht ­hinter Drahtzaun der Hochbehälter Hohe ­Warte: eine stattliche Technikanlage des Zweckverbands Bodensee-Wasserversorgung. Am Wegrand lagern zersägte Eichen-, Buchen-, Platanenstämme, abgeholzt im Schlossgarten für Stuttgart 21.

Als neulich im Gemeinderat über die Windräder diskutiert wurde, jubelten auh früher aktive S-21-Gegner in der Anti-Windkraft-Fraktion auch den CDU- und AfD-Stadträten als ihren Unterstützern zu. Das politische Bewusstsein des ökologisch engagierten Menschen reduziert sich nicht selten auf den Kampf für die demokratischen Rechte des Mäusebussards und des Juchtenkäfers.

Im grün-roten regierten Baden-Württemberg gibt es die wenigsten Windkraftanlagen aller Bundesländer, ausgenommen die Stadtstaaten Berlin, Hamburg, Bremen. In Stuttgart, von einem grünen OB regiert, steht ein einziges Windrad. Betrieben wird es genossenschaftlich auf dem Weilimdorfer Trümmerberg Grüner Heiner. Wir im Atomzeitalter wissen es: Strom kommt aus der Steckdose. Rettet den Tauschwald.



ES IST SO WEIT:



Joe Bauers Flaneursalon

beim 3. Stuttgarter HAFEN-PICKNICK

Große Samstagsshow am wilden Neckarufer mit:



Ginger Redcliff - die Indie-Königin

The Tremolettes - die beste Band der Welt

Wiglaf Droste - der Poet und Entertainer

Ekkehard Rössle Duo – All that Jazz

rahmenlos & frei - der Chor der Vesperkirche

Joe Bauer - der Levitenleser



SAMSTAG, 4. JULI

Picknick-Gelände mit Grill, geöffnet ab 16 Uhr

Showbeginn: 18.45 Uhr Uhr

Neckarhafen, 70327 Stuttgart

Stahlbau Heil, Mittelkai 12 -16

Anfahrt über B 10, Ausfahrt Hedelfingen

Siehe: STAHLBAU HEIL

VORVERKAUF: MUSIC CIRCUS - Kartentelefon: 07 11 / 22 11 05

° Unser Hafen-Gelände ist überdacht °



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