Bauers Depeschen


Dienstag, 17. März 2015, 1433. Depesche



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FLANEURSALON-TERMINE

AUSFLUG: Der nächste Flaneursaon mit Stefan Hiss, Dacia Bridges und Roland Baisch findet am Donnerstag, 16. April, in Stetten im Remstal statt, in der Glockenkelter, dem Domizil der politisch-kulturellen Initiative Allmende. 19 Uhr. Reservierungen sind möglich: 071 51/36 88 06 und info@allmende-stetten.de. Oder einfach auf der Flaneursalon-Seite via "Kontakt" anmelden.

HEIMSPIEL: Am 6. MAI sind wir in neuer Besetzung in der Stuttgarter ROSENAU. Mit Michael Dikizeyeko & Steve Bimamisa (afrikanische Songs), Marie Louise (Indie-Folk), mit dem Freestyle-Rapper und Zeremonienmeister Toba Borke sowie dem Beatboxer Pheel. Reservierungen ab sofort online: ROSENAU



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LIED DES TAGES



Die aktuelle STN-KOLUMNE:



LÜGEN HABEN BEINE

Es konnte nur noch Stunden dauern, bis der Frühling kommen würde. Ich saß auf dem Sofa und sang: „Im Märzen der Bauer / die Rösslein einspannt ...“ Diese musikalische Darbietung mit mir als einzigem im Publikum geriet etwas kurz, weil ich den restlichen Text nicht kenne und aus ökologischen Gründen auf einen Internet-Ausdruck verzichtete.

Ich habe keine Zweifel, dass Sie, verehrtes Publikum, meine Ausführungen bis hierher vermutlich so interessant finden wie die Frage, ob Baden-Württembergs weithin unbekannter SPD-Spitzenkandidat Schmid auch künftig ohne t am Namensschwanz zurechtkommt.

Die einleitende Notiz mit dem Lied aus meinem Langweilerleben habe ich gewählt, um Sie auf mein Dilemma hinzuweisen: Würde ich meinen Arbeit als Kolumnenschreiber so berechnend ausüben wie unsere Politiker ihren Job als Berufslügner, müsste ich mich pausenlos damit beschäftigen, was bei Ihnen, werte Leserinnen und Leser, gut ankommt.

Leider aber weiß ich nicht, was Ihnen Spaß macht und worunter sie leiden. Nicht mal sexuell. Politiker wissen das noch weniger. Deshalb lassen sie auf Kosten der Steuerzahler ganze Trupps von Marketing-Typen ermitteln, mit welchen Waschmittel-Sprüchen sie das Lebensgefühl der noch wählenden Bürger treffen könnten. Mit „Geiz ist geil“, „Atemlos durch die Nacht“ oder doch lieber mit der Prosa: „An allem sind die Flüchtlinge schuld, und ist gerade keiner greifbar, hacken wir auf den Griechen rum.“

Am Sonntag las ich auf dem Sofa eine Biografie der jüdischen Denkerin und Publizisten Hannah Arendt. Bekanntlich missbraucht der grüne Ministerpräsident bei jeder unpassenden Gelegenheit Frau Arendt als Kalenderspruch-Lieferantin. Sie ist tot und kann sich nicht mehr wehren. Dank seines vegetarischen Presssack-Schwäbisch kommen vor allem die nasal gequetschten A-Laute bei der Nennung des Namens Hannah Arendt höchst wirksam beim Publikum an. Viele von Kretschmanns Zuhörern leiden inzwischen an Hörsturz und Tinnitus.

Neulich war in einer 3Sat-Folge aus der Reihe „Bauerfeind attestiert ...“ zu sehen, wie Kretschmanns Pressesprecher für einen Eintrag ins Gästebuch einer Landgemeinde seinem Chef Kalendersprüche zur Auswahl vorlegte. Als der Verlautbarungsknecht mit der ihm eigenen Stilsicherheit befand, Hannah Arendt sei „zu sperrig“, nahm Kretschmann ein Seneca-Zitat. Vermutlich hat er es bis heute nicht gelesen. So funktioniert große Landesvater-Propaganda.

Bei meiner Sonntagslektüre auf dem Sofa las ich Hannah Arendts Satz: „Wer sich selbst belügt und auf seine eigene Lüge hört, kommt schließlich dahin, dass er keine einzige Wahrheit mehr weder in sich noch um sich unterscheidet.“ Diese Weltsicht nennt man auch Politik. Wer auf seine eigenen Lügen hört, labert wie Kretschmanns Grüne von „Bürgerbeteiligung“. In Wahrheit existiert der Bürger als Mensch mit Würde für die Politiker schon lange nicht mehr. Vielmehr werden auch noch die letzte halbwegs bürgernahen Einrichtungen auf marktwirtschaftlichen Profit getrimmt. Der Bürger ist tot. Es vegetiere der Kunde! Näheres in Ihrem Jobcenter.

Die Parteien und deren Marketing-Ermittler des gesunden Volksempfindens machen ja bekanntlich nichts anderes als die BWL-Strategen von Media-Markt oder Telekom. Allerdings habe ich im international besetzten Telekom-Shop schon erlebt, wie ein freundlicher junger Mensch dem Kunden aus der Patsche half. Bei den vom deutschen Größenwahn beherrschten Politiker ist diese Art Lebenshilfe undenkbar.

Ich saß also sonntags auf meinem Sofa und spielte mal nicht mit meinem Smartphone, sondern mit Gedanken. In der Arendt-Biografie blieb ich an einem Satz des römischen Philosophen Cato über den Austausch des Menschen mit sich selbst hängen: „Nie ist der Mensch tätiger, als wenn er nichts tut, und nie ist er weniger allein, als wenn er für sich allein ist.“

Postwendend schickte ich das Zitat per SMS an einen älteren Freund in der Absicht, sein tristes Rentnerdasein poetisch aufzuwerten. Nach einiger Zeit erreichte mich seine Nachricht, er büffle gerade Italienisch und sei in seinem Lehrbuch auf folgenden Satz römischer Philosophen gestoßen: „Per te contano di più le tette o le gambe?“

Um dem Freund meine mangelnde internationale Bildung zu verheimlichen, leitete ich das Zitat arglos mit der Bitte um Übersetzung rasch an eine in Italien lebende Freundin weiter. Schneller als mir lieb war, kam die Antwort: Ob ich in meinem Alter nichts Besseres zu tun hätte, als eine ehrbare Dame am helllichten Sonntag mit der blöden Männerverein-Frage zu belästigen: „Sind die Titten für dich wichtiger oder die Beine“?

In diesem Moment begann ich „Im Märzen der Bauer …“ zu singen. Und jetzt sage ich Ihnen, warum der Satz „Per te contano di più le tette o le gambe?“ sehr wohl in eine Kolumne mit dem Titel „In der Stadt“ gehört: Er stammt aus dem Lehrbuch „Sprechen wie ein echter Italiener“, erschienen im Pons-Verlag der Klett-Gruppe Stuttgart. Und womöglich kommt der deutsche Original-Dialog aus einem S-Bahnabteil auf der Fahrt von Böblingen nach Herrenberg.

Ich hoffe, damit doch noch ein Thema von breitem Interesse gefunden zu haben. Selbst wenn die Frage, ob Lügen Beine haben oder Titten, beim Blick auf die Grünen etwas sperrig erscheint: Aufregender als die Wahl zwischen Grün-Rot, Schwarz-Grün oder Schwarz-Rot ist sie allemal.



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