Bauers Depeschen


Donnerstag, 07. Februar 2013, 1054. Depesche



 



STUTTGART 21:

GROSSKUNDGEBUNG AM 23. FEBRUAR

Zur rechten Zeit: Am Samstag, 23. Februar, findet auf dem Stuttgarter Schlossplatz die nächste Großkundgebung gegen Stuttgart 21 statt. Veranstalter sind die Architekten für K 21 und das Aktionsbündnis. Es sprechen Franz Alt, Hannes Rockenbauch, Brigitte Dahlbender, Peter Pätzold und unsereins. Musik machen die Profis vom Lenkungskreis Jazz. Beginn ist bereits um 13.30 Uhr.

Motto: "Endstation Stuttgart 21 - bitte alle aussteigen!"



SOUNDTRACK DES TAGES



Die aktuelle StN-Kolumne:



DER MAULWURF

Rechtzeitig vor dem letzten Orgasmus der Faschingssaison stieg am 5. Februar 2013, exakt ­siebenundsiebzig Jahre nach der Premiere von Charlie Chaplins „Moderne Zeiten“, eine scharfe S-21-Rakete. Sämtliche Medien berichteten, deutsche Regierungs­lakaien hätten große Zweifel an der Wahrheit vom Stuttgarter Wahnsinn. ­Zeitweise entstand eine Situation, als würde die oberste staat­liche Klapse die Therapie mit dem Argument verweigern, der Pflegefall sei sowieso schon hinüber. Nicht mal Milliardenspritzen könnten noch helfen.

Zum Glück entschied am selben Tag die Düsseldorfer Universität, Baden-Württembergs früherer Kultusministerin Anette Schavan den Doktortitel wegzunehmen. Sie habe abgeschrieben. Diese Nachricht schlug am Abend noch härter ein als die S-21­-Rakete. Da Frau Schavan zurzeit als gesamtdeutsche Bildungs­ministerin­ tätig ist, dürfte sie den letzten Respekt im internationalen Schüler- und Azubi-­Milieu verloren haben: „Voll krass, Schwester, muschtu Doppelstunde fahren.“

An diesem 5. Februar 2013 rief mich ein Kollege aus dem nördlichen Nachrichten­geschäft an mit der Bitte, ihm ein paar Strophen über meinen Gemüts­zustand beim Anblick des zerstörten Stuttgarter Hauptbahnhofs und der Baulöcher zu dichten: etwas Emotionales, blutfrisch vom Tatort, am besten mit Tränensackgesicht und so. Die Bilder der abgehackten Bahnhofsflügel vor Augen, sagte ich: „Ischwör, kriegstu voll Propellerkick, Alder.“

Der 5. Februar war ein ­ guter Tag für wärmende Betroffenheitslyrik. Es war kalt, es regnete, und S 21 schien zu krepieren.

Viele Leute glauben, der unterirdisch geplante Bahnhof mit seinen acht Meter hohen Blubberblasen über der Erde sei eine regionale Sache. Das ist falsch. Die S-21-Pläne, habe ich gelesen, kürten einst „Stuttgart zum Modell für Deutschland“. So hat es der Automobil-Lobbyist Wissmann Anfang der neunziger Jahre in seinem Nebenjob als Bundesverkehrsminister formuliert. Das Magazin „Focus“ berichtete in jenen Tagen, das 41 000 Kilometer lange Schienennetz der Bahn sei „als Immobilie pures Gold“, ein „Mega-Milliarden-Ding“.

Geplant war, in mehreren deutschen Großstädten die Bahn­höfe nicht nur zu versenken, sondern sie auch zu privatisieren und zu kommerzialisieren. Entstehen sollten neben Immobilien mit traumhaften Spekulantenprofiten vor allem Shopping Malls, in denen auch Züge halten.

In Stuttgart stehen diese Art Pläne bis heute. Nachlesen kann man das in Broschüren von S-21-Kritikern aus den neunziger Jahren. Einer der Autoren hieß Utz ­Rockenbauch, nicht zu verwechseln mit Hannes Rockenbauch; Sohnemann war damals sechzehn und cool.

Schon zu dieser Zeit regte sich in Stuttgart Widerstand, wenn auch nicht so heftig wie später. Konnte ja keiner wissen, dass der Größenwahn der Politiker und Manager unheilbar sein würde. Ihre Krankheit ­nennen sie heute in üblicher Profit- und Machtgier „Fortschritt“ und „Zukunft“, um von ihrem Versagen in der Gegenwart abzulenken.

Nachdem ich den Kollegen aus dem Norden mit meiner emotionalen Leere irritiert hatte, brach ich zur Läuterung in Richtung Bahnhofsruine auf. Wer aus der Klettpassage die Treppe zum kaputten Nordportal hochsteigt, wird von einem Plakat begrüßt: „Bei unseren Bauarbeiten bleibt Ihnen ein kleiner Umweg leider nicht erspart.“ Und damit der Reisende sich vollends an die Stirn greift, haben die Propagandisten eine Comic­figur geschaffen­, die mit ihrer Lügennase Geist und Seele von S 21 widerspiegelt. Das Maskottchen ist ein Maulwurf.

Wikipedia klärt auf: „Die unterirdisch grabenden Maulwürfe verbringen den Großteil ihres Lebens in einem selbst ­­­­ge­grabenen, unter­irdischen Gangsystem. Das Aushubmaterial wird dabei meist in Form von Maulwurfs­hügeln zur Oberfläche gebracht­. Je nach Art und Lebensraum können sich diese Gänge knapp unter der Oberfläche oder auch in größere Tiefen erstrecken . . . Das Gebiss der Maulwürfe ist . . . an ihre räuberische Lebensweise angepasst.“

Zum Beweis, dass er einen speziellen Menschentypus symbolisiert, wurde der Maulwurf für die Plakatkampagne am Bahnhof und am Bauzaun des zerpflügten Schlossgartens entsprechend ausgestattet: Er trägt Bauhelm, Overall und Sicherheitsweste und schwingt bei Bedarf den Holzhammer. Und damit er seinen Dienstherren intellektuell ebenbürtig ist, hat man ihm zukunftsorientierte Sprüche mitgegeben: „Hier gibt’s viel zu tun. Graben wir’s an.“

Im Februar 2013 muss unser Angraber vom Stamme der Insektenfresser vorübergehend menschliche Gestalt angenommen haben. Bekanntlich arbeiten Maulwürfe im Nebenjob als Agenten, als Spitzel, die geheime Informationen weitergeben. So ist es zu erklären, wie ein Dossier aus dem Bundesverkehrsministerium bei der Presse landete und Zweifel streute an der Maulwurf-Qualifikation der Bahnmanager.

Doch bevor man ihnen die Lizenz zum Graben entziehen konnte, war Frau Schavan ihren Doktor los. Und alle verkrochen sich wieder in ihre Maulwurfstunnel.



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IM MAI IN DER RAMPE:

DIE FLANEURSALON-FAMILIEN-BANDE

Für Freitag, 17. Mai, ist die Flaneursalon-Familiensaga im THEATER RAMPE geplant: Roland Baisch tritt mit seinem Sohn Sam Baisch auf, Zam Helga mit seiner Tochter Ella Estrella Tischa. Dazu haben wir den Rapper Toba Borke und seinen Beatboxer Pheel im Programm. Talkin' 'bout my generation ... Der Vorverkauf hat begonnen.



SIGNIERTE BÜCHER BEI RATZER

Es gibt wieder signierte Exemplare meines Buchs im Plattencafé Ratzer Records am Leonhardsplatz.



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