Bauers Depeschen


Freitag, 14. September 2012, 976. Depesche



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TAGEBUCHEINTRAG

Samstagmorgen Abfahrt mit der Eisenbahn nach Dortmund. Außerbetriebliche Fortbildung bei den Fußballspielen Borussia Dortmund gegen Bayer Leverkusen (Sa, 1. Liga) und BVB II gegen Stuttgarter Kickers (So, 3. Liga).



BALD IST FLANEURSALON

Der Flaneursalon ist eine Mix-Show mit Popsongs, Rap und vorgetragenen Geschichten - ein Live-Abend mit Humor, schnellen Schnitten und reichlich Abwechslung. Am Dienstag, 25. September, sind wir im Speakeasy, Rotebühlpatz 11 - mit dem Rapper Toba Borke und seinem Beatboxer Pheel, mit der Balladensängerin Dacia Bridges und ihrem Gitarristen sowie dem Sänger/Songschreiber Zam Helga. Beginn 20.30 Uhr. Karten zu 12 € gibt es Di - Sa im Plattencafé Ratzer Records im Leonhardsviertel (neben dem Brunnenwirt) und im Internet: EVENTBÜRO



SOUNDTRACK DES TAGES



Die aktuelle StN-Kolumne:



FÜR WENIGER STAU

Es gibt diese verdammten Tage, da geht nichts voran. Die kleine Gemeinde um mich ­herum erscheint mir wie eine Großstadt, überfüllt. Ähnlich geht es dem Hamster im Rad, wenn er glaubt, er flitze um die Welt.

Von meiner Wohnung bis zur Staatsgalerie bräuchte ich nur zwanzig Minuten. Wenn ich Lust hätte. Ein Freund hat mir via Taschentelefon ein Foto aus der Neuen Staatsgalerie geschickt. Man sieht darauf eine Skulptur, eingehüllt in einen Plastiküberzug, eine Art Regencape. Neben der Lehmbruck-Skulptur steht ein roter Wassereimer. In der Staatsgalerie pisst es durchs Dach.

Die Skulptur im Regenumhang steht im Raum wie ein Symbol für den Umgang mit Kultur. Die Staatsgalerie mit ihrem einst international gefeierten James-Stirling-Bau rutscht seit Jahren ins Abseits, entfernt sich immer weiter aus dem öffentlichen Bewusstsein. Eine Schande, was da läuft. Es ist nicht nur der Regen.

Die prägenden Bilder der Stadt kommen nicht aus den Galerien, zurzeit entstehen sie in den politischen Propagandabuden. Mit ein Grund, das Herumgehen zu dosieren. Im OB-Wahlkampf spielt das Thema Kultur keine Rolle. Die Kandidaten glauben, damit sei kein Blumentopf zu gewinnen. Auch weil der Begriff Kultur einfältig definiert wird. Unter Kultur verstehen Politiker den „Betrieb“: elitäre Veranstaltungen (Events), noble Häuser (Locations), Dinge, die Geld kosten und nichts bringen (wenn nicht gerade einer über den „Standortfaktor“ labert).

Aus dieser Perspektive wird die Mär ­verbreitet, der „Staat“ (die Regierung) spendiere den Leuten ein Freizeitangebot mit Musik, Theater, bildender Kunst etc. Dass die Steuern für die Kultur von den Bürgern erwirtschaftet werden, dass diese Bürger einen Anspruch auf Kunst, auf ein zivilisiertes, humanes Klima in ihren ­Lebensräumen haben, sagen Politiker nicht. Kultur, also Dinge, die eine Stadt atmosphärisch und geistig prägen, gilt als Luxus – als verzichtbar. Die Grünen und Roten in der Regierung haben kein Verhältnis zur Kultur, sie sind in den soziokulturellen Klitschen der siebziger Jahre hängen geblieben.

Überhaupt, Kultur. Bei keinem der plakatierenden OB-Kandidaten kann man hinter der Selbst­darstellung eine Haltung erkennen. In allen Branchen erzählen Reklamefritzen etwas von „Alleinstellungs­merk­malen“. In der Politik gelten sie als Gift.

Die Plakatbotschaften sind austauschbar, stinklangweilig wie Schlagertexte. Die Kandidaten auf den Plakaten benehmen sich wie Schnulzensänger: bloß nicht die „breite Masse“ irritieren, nicht mal im Promillebereich, das könnte einen Kunden (Wähler) kosten. Auf keinen Fall was riskieren, bei Gott nicht mehr als das Bla-Bla des Musikantenstadls absondern: „Nah. Näher. Am Nächsten“. Dieser Spruch der SPD (Wilhelm) klingt so engagiert wie das Bekenntnis der CDU (Turner): „Für weniger Stau“. Und an Turners Auspuff kämpft der Grüne Kuhn: für weniger Staub.

Selbst der noch nicht dem Parteien-Mainstream verfallene Kandidat Rockenbauch stimmt in den Gleichklang ein, will den Bürger nicht erschrecken: „Bewahren, gestalten, verändern“. Sagen will er vermutlich: „Ich will die Stadt verändern – aber ihren Charakter nicht zerstören.“ Seltsam, wenn sich die Form dieses Kandidaten nicht von der Form der Inhaltlosen unterscheidet. Wenn neben den Schlagerfuzzis auf den Plakaten kein Punkrocker auftaucht.

Die Bla-Bla-Masche wird bis zum Erbrechen damit gerechtfertigt, die Botschaft („Claim“) müsse „kurz und knackig“ sein. Gib dem Affen Puder­zucker. Die Beliebigkeit der Slogans grenzt in Turners Kampagne ans Komische: „Für besser Bildung“, „Für ­sichere Arbeitsplätze“, „Für unsere Sicherheit“. Der „Bürger-OB“ als ­pene­tranter Für-Bitter, als Für-Führer, der sich per Holzhammer von jeder „Gegen“-Haltung distanziert. „Gegen“ bedeutet im neoliberalen Denken „fortschrittsfeindlich“. Dass Neues durch ­Widerstand entsteht, verbreiten nur Philosophen und Historiker – also nichtsnutzige Vertreter von Kultur.

In der Staatsgalerie muss man Plastiken mit Plastikhüllen vor dem Regen schützen wie anderswo in der Stadt Schulkinder mit Stahlgittern vor der feuchten Klassenzimmerdecke. Ich bitte darum, ­dieses Thematik im OB-Wahlkampf auf­zunehmen: „Für weniger Regen“.

Mit dem Einheitsbrei der Kandidaten ließen sich Löcher stopfen.



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