Bauers Depeschen


Samstag, 25. August 2012, 966. Depesche

SIEG: Stuttgarter Kickers - VfL Osnabrück 3:0

 

TAGEBUCHEINTRAG

Deutscher Ku-Klux-Klan trimmt weißrussische Miliz für Demokratie.



DAS GEHEIMNIS DER EINTRITTSKARTE

Einstein sagt: Würden sich zehn (10) Prozent meiner täglichen Homepage-Gäste eine (1) Eintrittskarte zu zwöf (12) Euro für unseren nächsten Flaneursalon besorgen, wären wir aus dem Schneider. Unglücklicherweise denken hundert Prozent: Die zehn Prozent werden sich schon melden, da braucht man nicht ausgerechnet mich. Trotzdem: Wir sind am Dienstag, 25. September, im Speakeasy, Rotebühlplatz 11. Mit dem Rapper Toba Borke und seinem Beatboxer Pheel, mit Zam Helga, Dacia & Bridges & Friend. 20.30 Uhr. Vorverkauf Di - Sa im Plattencafé Ratzer im Leonhardsviertel (neben dem Burunnenwirt) - und im Internet: EVENTBÜRO



SOUNDTRACK DES TAGES



VORBEI AN JEDER HALTESTELLE

Zur Erinnerung an den großen Kabarettisten Werner Finck

und die Stuttgarter Mausefalle



Bei aller Liebe für den Meister der Publikumsverführung, in der Haut dieses Kerls möchte man nicht stecken. Es ist stickig in dem unterirdischen Fernsehstudio, aber nicht heiß genug, um den Leuten auf der Galerie einzuheizen. Der Mann auf der Bühne kämpft um die Gunst einer Kaffeefahrten-Gesellschaft, sie ist zur Besichtigung des Senders gekommen. Jetzt, letzte Haltestelle, werden die Herrschaften mit der Aufzeichnung einer Kabarett-Show belohnt. Der Mann auf der Bühne leistet körperliche und geistige Schwerstarbeit, will sein Publikum in die Geheimnisse des Beifalls einweihen. Man wähnt sich in einer Kirmeskulisse und begreift, was es heißt, Menschen zu unterhalten.

Als die Show nach einer halben Stunde gelaufen ist, bedankt sich der Mann auf der Bühne. Er stottert, stammelt, verspricht sich: Ja, sagt er, er sei nun mal immer nur so gut wie sein Publikum, ach ja, vielleicht könne man das sooo nicht sagen, oder doch, natürlich, äh, so ähnlich. Und dann kommt es: Verehrtes Publikum, heute waren Sie sehr gut!

Der Mann auf der Studiobühne ist der Kabarettist Mathias Richling, seine Schlusspointe eine Verbeugung vor dem alten Narren Werner Finck.

So war das mal, vor Jahren, als Richling sich noch nicht auf die Politiker-Parodie für das Fernsehen spezialisiert hatte.

Wie oft ist das Kabarett in den vergangenen Jahrzehnten tot gesagt worden, viele hatten geglaubt, es sei 1978 mit Werner Finck gestorben. In den späten siebziger Jahren des vorigen Jahrhunderts begann der Siegeszug der neuen Clowns. Die deutsche Comedy-Generation schien das klassische Kabarett tot zu lachen. Die Spaßmacher des Popzeitalters sagten nicht mehr „Verehrtes Publikum, Sie waren heute sehr gut!“, sie nölten: „Verehrtes Publikum, Sie waren das beste, das wir heute Abend kriegen konnten.“

Was soll der Quatsch mit dem Tod des Kabaretts. Man kann die Gesetze, die dramaturgischen Tricks der Unterhaltung nicht einfach beerdigen, wenn man das Publikum weiter verführen will. Und es ist empfehlenswert, Werner Fincks Lektionen weiterhin zu lernen.

Werner Finck, 1902 in Görlitz geboren, hat in seinem 1977 erschienenen Büchlein „Heiter – auf verlorenem Posten“ die Geschichte des politischen Kabaretts, den Unterschied zwischen Nazi-Diktatur und BRD-Demokratie so erklärt: „Was damals das Konferieren betraf; man musste sich, wollte man nicht Kopf und Kragen riskieren, auf die Andeutung einer Andeutung beschränken. Man könnte auch sagen: Es genügte, mit einem winzigen Klöppelchen an eine kleine Glocke zu tippen, das übertrug sich dann aufs Publikum wie Sturmläuten. Heutzutage – und damit komme ich auf ein Hauptproblem des Kabaretts in demokratischen Zeiten – müssen wir mit einem Riesenhammer auf eine Mordsglocke schlagen, und man wird sich im Publikum fragen: ,Hat's da nicht irgendwo ein bisschen geklingelt?“

Für die Andeutung einer Andeutung war Finck auf von Befehl von Goebbels' im KZ gelandet. 1935 wurde er entlassen. Einer neuerlichen Verhaftung entging er, weil er sich bei Kriegsausbruch als Freiwilliger meldete. Eine Anweisung der Nazis lautete: „Finck ist, sobald er eine Bühne betritt, sofort zu verhaften.“ Der Kabarettist, Schauspieler, Schriftsteller Werner Finck spottete über diese Art des „Ergriffenseins“: Kaum war das Publikum vom Künstler ergriffen, wurde der Künstler ergriffen. Während der Nazi-Zeit hebt er in einem Sketch mit einem Maßschneider den Arm wie zum "Hitlergruß" und sagt: "Die Rechte aufgehoben."

Nach dem Zweiten Weltkrieg eröffnete er in der Stuttgarter Tübinger Straße das Kabarett Mausefalle. Als Kaufmann und Impresario hatte er leider kein Glück, 1951 machte sein Laden dicht; auch sein Zweitversuch mit einer Mausefalle in Hamburg scheiterte. Das Publikum war in den sogenannten Anfängen der Demokratie noch nicht bereit für die politischen Hiebe aus der Ecke satirischer Aufklärung.

Ins Bewusstsein rückte die Stuttgarter Mausefalle noch einmal Anfang der achtziger Jahre. Der Rundfunkjournalist Stefan Siller und sein Freund Werner Heitmann nutzten die alten Räume als Rock-Club. Unvergessen der Comeback-Auftritt der Berliner Anarcho-Band Ton, Steine, Scherben mit ihrem Sänger Rio Reiser. Doch schon früh scheiterte die Mausefalle erneut am Geld. Die Stadt Stuttgart verweigerte eine Subvention von läppischen fünfzigtausend Mark, die den Laden gerettet hätten.

Von linkem Agitprop hielt Finck übrigens nichts. Über linke Polit-Ensembles wie die Kölner Truppe Floh de Cologne oder das Münchner Rationaltheater sagte er: „Ein Abend bei ihnen hat mit dem herkömmlichen Vergnügen nichts mehr zu tun, sondern ist schlechthin ein durch aggressive Elektronenmusik verschärfter Schulungsabend. Sie könnten in vollem Einvernehmen mit der dortigen Zensur auch in der DDR gastieren.“

Schnell war das ehemalige Kabarett Mausefalle in der Tübinger Straße ein vergessener Sanierungsfall in der Nachbarschaft eines Rotlicht-Cabarets. Werner Finck hat uns den Unterschied zwischen Cabaret und Kabarett erklärt: „zwischen Callgirl und Kassandra“.

Er war der poetische Spötter, der Zerstreute mit dem Blick aufs Ganze. Er näherte sich seinem Publikum so virtuos linkisch, dass sich mancher vornahm, ihn nach der Vorstellung am Arm über die Straße zu führen. Und Finck stotterte so präzise, als wolle er die Worte in Silben zerhacken, um das Chaos der Welt bloßzulegen.

Er war nicht nur ein ein großer Komiker und Entertainer, er war auch ein ausgezeichneter Bühnen- und Filmdarsteller. Vielleicht erinnern Sie sich an seine Großvater-Rolle in Rainer Werner Fassbinders Familienserie „Acht Stunden sind kein Tag“ (1973). Und da war der Autor Werner Finck. In seinem Bestseller „Alter Narr – was nun?“ hat er uns eine Stuttgarter Anekdote hinterlassen. Sie handelt von einem angetrunkenen Mann, der eines Nachts aus dem Straßenbahn-Depot einen Triebwagen klaut und damit nach Hause fährt: „Welch eine Zwangsvorstellung, was sage ich, Zwangsvorstellung für Jung und Alt: mit einer Elektrischen dahinzurasen, die Todfeinde des Straßenbahnwesens, die Autos, hinter sich lassend, vorbei an jeder Haltestelle. Vorbei an jeder Haltestelle!!!“



KOMMENTARE SCHREIBEN IM LESERSALON



FRIENDLY FIRE:

NACHDENKSEITEN

FlUEGEL TV

RAILOMOTIVE

EDITION TIAMAT BERLIN

Bittermanns Fußball-Kolumne Blutgrätsche

VINCENT KLINK

KESSEL.TV

GLANZ & ELEND

 

Auswahl


Depeschen 2311 - 2318

Depeschen 2281 - 2310

Depeschen 2251 - 2280

Depeschen 2221 - 2250

Depeschen 2191 - 2220

Depeschen 2161 - 2190

Depeschen 2131 - 2160

Depeschen 2101 - 2130

Depeschen 2071 - 2100

Depeschen 2041 - 2070

Depeschen 2011 - 2040

Depeschen 1981 - 2010

Depeschen 1951 - 1980

Depeschen 1921 - 1950

Depeschen 1891 - 1920

Depeschen 1861 - 1890

Depeschen 1831 - 1860

Depeschen 1801 - 1830

Depeschen 1771 - 1800

Depeschen 1741 - 1770

Depeschen 1711 - 1740

Depeschen 1681 - 1710

Depeschen 1651 - 1680

Depeschen 1621 - 1650

Depeschen 1591 - 1620

Depeschen 1561 - 1590

Depeschen 1531 - 1560

Depeschen 1501 - 1530

Depeschen 1471 - 1500

Depeschen 1441 - 1470

Depeschen 1411 - 1440

Depeschen 1381 - 1410

Depeschen 1351 - 1380

Depeschen 1321 - 1350

Depeschen 1291 - 1320

Depeschen 1261 - 1290

Depeschen 1231 - 1260

Depeschen 1201 - 1230

Depeschen 1171 - 1200

Depeschen 1141 - 1170

Depeschen 1111 - 1140

Depeschen 1081 - 1110

Depeschen 1051 - 1080

Depeschen 1021 - 1050

Depeschen 991 - 1020

Depeschen 961 - 990
08.10.2012

06.10.2012

03.10.2012
02.10.2012

30.09.2012

29.09.2012
28.09.2012

26.09.2012

25.09.2012
24.09.2012

22.09.2012

20.09.2012
18.09.2012

17.09.2012

14.09.2012
13.09.2012

11.09.2012

08.09.2012
06.09.2012

04.09.2012

03.09.2012
01.09.2012

30.08.2012

28.08.2012
25.08.2012

23.08.2012

20.08.2012
17.08.2012

14.08.2012

12.08.2012

Depeschen 931 - 960

Depeschen 901 - 930

Depeschen 871 - 900

Depeschen 841 - 870

Depeschen 811 - 840

Depeschen 781 - 810

Depeschen 751 - 780

Depeschen 721 - 750

Depeschen 691 - 720

Depeschen 661 - 690

Depeschen 631 - 660

Depeschen 601 - 630

Depeschen 571 - 600

Depeschen 541 - 570

Depeschen 511 - 540

Depeschen 481 - 510

Depeschen 451 - 480

Depeschen 421 - 450

Depeschen 391 - 420

Depeschen 361 - 390

Depeschen 331 - 360

Depeschen 301 - 330

Depeschen 271 - 300

Depeschen 241 - 270

Depeschen 211 - 240

Depeschen 181 - 210

Depeschen 151 - 180

Depeschen 121 - 150

Depeschen 91 - 120

Depeschen 61 - 90

Depeschen 31 - 60

Depeschen 1 - 30




© 2007-2024 AD1 media ·