Bauers Depeschen


Freitag, 17. August 2012, 963. Depesche

NOTIZ

Alle regen sich nur über die Russen auf. Bundeswehr Riot im Inland ist offenbar kein Punk.

 

SOUNDTRACK DES TAGES



WERTE HOMEPAGE-GÄSTE,

wegen einer strengen Sommergrippe habe ich das Kolumnieren noch mal verschieben müssen, es wäre aber schön, wenn wir die Pause für eine gute Tat nutzen könnten. Wir sollten irgendwie den Vorverkauf für den nächsten Flaneursalon in Gang bringen. Ich weiß, es ist heiß, es sind Ferien, und das Leben ist schwer. Der Eintritt von zwölf Euro für unsere Lieder- und Geschichtenshow am Dienstag, 25. September, im Speakeasy müsste aber machbar sein. Dafür ist diese Homepage-Lektüre gratis, und die gibt es ja allein wegen des Flaneursalons. Es gehen gute Leute auf die Bühne: der famose Rapper Toba Borke und sein Beatboxer Pheel, der Sänger/Songschreiber Zam Helga, die amerikanische Sängerin Dacia Bridges. Unsereins ist auch dabei, und wie immer tragen wir in unserer Mix-Show auch Texte und Songs vor, die zuvor noch nicht im Angebot waren. Das Speakeasy ist ein junger Club am Rotebühplatz 11, selbstverständlich ist der Bühnenraum bestuhlt. Es gibt eine LED-Wand, gut gekühlte Getränke, und vermutlich haben wir einen ziemlich schönen Abend im Untergrund von Stuttgart. Ein Fernsehteam des SWR wird kommen, um Szenen für einen „Nachtkultur“-Beitrag über den Flaneursalon zu drehen, und wir brauchen Cheerleaders, keine Frage.

Karten gibt es im Vorverkauf im schönen Plattencafé Ratzer Records im schummrigen Leonhardsviertel, direkt neben dem Brunnenwirt, sowie im Internet: EVENTBÜRO



Hier noch eine Kleinigkeit zum Klima:



ES WAR HEISS

Seit Jahrzehnten schwimme und schwitze ich im Bad Berg; dort sind die Saunen für Männer und Frauen getrennt. Eines Tages verirrte ich mich in eine andere Badeanstalt, und das ging schief:

Es war schwül, die Luft schneidend, meine Haut brannte. Wenn ich atmete, hatte ich das Gefühl, Feuer zu schlucken. Ich liebe Feuerschlucker, weil ich den Zirkus und das Varieté liebe. An diesem Tag aber hasste ich Feuerschlucker. Sie müssen verrückt sein, wenn sie Brennstoff saufen und ihn anzünden. Meine Lungen schmerzten, die Zigaretten hatten sie längst zerstört.

Als mir der Schweiß zum ersten Mal ausbrach, schaute ich zur Decke, als wartete ich auf eine Regenwolke. Beim nächsten Mal hob ich den rechten Arm und prüfte, ob ich unter der Achsel röche. Ich wäre, auch wenn es der Natur des Rituals widersprach, am liebsten allein gewesen. Manchmal ist es gut, allein zu sein.

Ich wollte nicht, dass sie sieht, wie ich schwitze. Männerschweiß ist anders als Frauenschweiß. "Man kann in dieser Bruchbude keinem trauen", sagte sie, und ihre Stimme klang tief und rau.

Ich sah auf mein Handtuch. Ob es nicht besser wäre, meinen Unterleib zu bedecken, wenigstens das Gemächt, wenn ich hier säße, unfähig, etwas zu sagen. Ich war neu hier. Verstört. Was hätte ich sagen können. Ich schwitze nicht vor Angst, hätte ich lügen können, ich schwitze, weil es heiß ist und ich erkältet bin und krank vom Leben.

"Wie lange denn noch", sagte sie, und ihre Stimme war tief und rau.

Mein Gott, dachte ich, du musst etwas sagen, es gibt nichts Peinlicheres, als auf dein Gemächt zu starren, ihr nicht ein einziges Mal in die Augen zu schauen oder ein Kompliment zu machen. Du bist nicht am Ende, redete ich mir ein, reiß dich zusammen, du bist ein Mann in guten Jahren. Lade sie auf einen Drink ein, sag ihr, es täte gut, einen Drink zu nehmen, wenn das alles hier vorbei sei.

"Früher gab es hier noch Männer", sagte sie, und sie hustete.

Die Uhr lief, und sie lief gegen mich, das wusste ich. Hin und wieder holte ich tief Atem, nur um anzudeuten, es ginge mir nicht gut. Wahrscheinlich habe hier seit einer Ewigkeit keiner mehr gelüftet, wollte ich sagen. Nimm es mir nicht übel, wollte ich ihr sagen, sei mir nicht böse, das ist heute nicht mein Tag, das geht vorbei, alles geht vorbei. Was, um Gottes willen, hätte ich sagen sollen. Dass ich in New York in der Oper gewesen sei, in Marseille in der Fremdenlegion, auf der Waldau bei den Stuttgarter Kickers. Ein paar laute Angebersätze, damit sie nicht merkte, wie mein Angstschweiß floss.

Wenn ich redete, würde ich nicht länger auf mein Gemächt starren, womöglich könnte sie übersehen, in welchem Zustand es war. Am liebsten wäre ich weggerannt. "Sie könnten sich ruhig mal rasieren", sagte sie.

Sie begann sich zu streicheln, den Hals, die Schultern. Wenn sie mit den Händen die Haut ihres tätowierten Körpers rieb, konnte ich hören, wie ihre Haut ölig schmatzte. Ich hatte Angst, ihr zuzuschauen, auch wenn es sie nicht zu stören schien, wenn ich ihr zuschaute, wie sie sich betatschte, ihre Schenkel, ihre Waden, ihre Füße. Sie schien es zu genießen, wenn ich meinen Kopf für ein paar Sekunden nach links drehte, um sie zu beobachten, wie sie sich schmatzend massierte, erst mit einer, dann mit beiden Händen. Je länger sie sich massierte, desto öfter schaute sie auf die Uhr. "Tun Sie endlich was", sagte sie, "oder sind Sie kein Kerl?"

Ich spürte, wie der Schweiß durch mein Handtuch drang. Wenn ich mich bewegte, sähe man die Pfütze, wo ich gesessen hatte. Ich blieb sitzen, rührte mich nicht und schaute zu, wie sich ihre Brüste hoben, als sie mir in die Augen sah. Ich kannte nicht mal ihren Namen.

"Mit mir können Sie", sagte sie … sie kam nicht weiter. Jemand stieß krachend die Tür auf.

„Mit mir können Sie das nicht machen", sagte sie. Ihr Sound klang hart, und sie leckte ihre aufgespritzten Lippen. "Die können mich mal. Eine Schweinerei. Der verdammte Aufguss kommt schon wieder fünf Minuten zu spät." Sie stand auf und packte ihr Handtuch.

Als sie zur Tür ging, sah ich, dass er eine Badehose trug.



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