Bauers Depeschen


Mittwoch, 13. Oktober 2010, 597. Depesche



Wir arbeiten an der Zukunft - Achtung, die Karten werden knapp:

FLANEURSALON am Sonntag, 7. NOVEMBER (19.30 Uhr), im THEATERHAUS mit: HÄUPTLING SITTING KÜCHENBULL - Außerdem im Aufgebot: Eric Gauthier Trio, Dacia Bridges Duo, Michael Gaedt als The Master Of The Universe...

Raging Bull: VINCENT KLINK



Zur Information, meine StN-Kolumne in der Ausgabe von heute:



DAS ENDE DER RÖHRE

„Ein Tunnel“, hat einmal ein weiser Mann gesagt, „ist nichts anderes als ein Loch, ein nützliches Loch.“ Der weise Mann hieß Manfred Rommel, und das nützliche Loch befand sich im Wagenburgtunnel. Dort hat am 26. September 1985 Stuttgarts Oberbürgermeister den Musikclub Die Röhre eröffnet. Für die Stadt war es ein Ereignis, in der Stadt war damals nicht viel los.

Jetzt, 25 Jahre später, ist das Ende der Röhre besiegelt. Die drei Clubmacher, Peter Reinhardt, Nanno Smeets und Jan Drusche, haben die Kündigung zum 31. Dezember dieses Jahres erhalten. Das Schreiben des Liegenschaftsamts, dem städtischen Vermieter, traf allerdings erst am 1. Oktober per Boten ein – einen Tag nach Quartalsende, so dass sich der Auszug aus juristischen Gründen verschieben könnte.

Dass die Röhre dem Bahnprojekt Stuttgart 21 zum Opfer fallen würde, ist seit langem bekannt. Die Club-Chefs wundern sich dennoch, warum sie erst zum letztmöglichen Termin benachrichtigt wurden, mit einem förmlichen Amtsschreiben, ohne eine Zeile der Würdigung nach der langen Zusammenarbeit mit der Stadt.

Sie vermuten gar, ihre Unterstützung von Stuttgart-21-Gegnern habe die Sache politisch beschleunigt. Der Rockclub stellte ihre Räume gelegentlich Mitgliedern von Robin Wood und organisierten Parkschützern zur Verfügung. Auch ansonsten bezogen die Macher Stellung gegen S 21, etwa auf ihrer Homepage. Das Liegenschaftsamt konnte sich gestern nicht dazu äußern; der Chef war nicht im Büro.

Vermutung hin, Verdacht her. Man fragt sich, warum sich die Damen und Herren vom Amt nicht die Mühe gemacht haben, ihre Mieter von Angesicht zu Angesicht oder wenigstens telefonisch zu informieren. Eine Stilfrage, was sonst. Auch hatte die Stadt, etwa die Kulturbürgermeisterin, dem Trio zugesagt, sich um Ersatz zu bemühen. Erst bei der Kündigung erfuhr man, es gebe keine Alternative.

Die Pächter wissen zwar seit geraumer Zeit vom absehbaren Ende ihres Ladens. Man weiß aber auch, dass die Stimmung in der Stadt nicht gut ist. Und auch im Fall Röhre, einem für Veranstalter und Publikum unverzichtbaren Ort stilistischer Vielfalt, macht der Ton die Musik. Über Kommunikation brauchen wir nicht zu reden, ich kann das Wort nicht mehr hören.

Clubs öffnen und schließen, so wahr wie Rockstars auf- und untergehen. Die Röhre jedoch ist ein Stuttgarter Unikat, eine bunte und originelle Live-Bühne mit Geschichte und Atmosphäre. Das Erdloch wurde 1941, als Zwillingsbruder des Wagenburgtunnels, gegraben. Erst war es Luftschutzbunker, nach dem Krieg Weinkeller, später diente es auch als Probebühne für die Staatstheater. Ballett-Fans sprechen noch heute vom Kunstspektakel, das Ende der Siebziger die Stylistin Randi Bubat mit Tänzern veranstaltete.

Als OB Rommel 1985 auf die Vorzüge des Tunnels hinwies, spielten zur Premiere der Jazzer Bernd Konrad und der Punk-Clown G.A.W. Die Röhre war ein Politikum. Das Rathaus investierte 650 000 Mark. Lange, viel zu lange hatte man mit provinzieller Verschlafenheit kulturelle Phänomene wie Rock und Jazz ignoriert. Mit dem Tunnel wollte man, als ginge es um ein Jugendhaus, mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen. Heraus kam subventionierte Vereinsmeierei. Erst als Peter Reinhardt, anfangs Wirt der Röhre, die Gesamtregie auf eigenes Risiko übernahm, wurde aus dem Gemischtwarenladen ein professioneller Club mit Charakter.

Peter Reinhardt, heute 59, hatte bereits reichlich Erfahrung im Live-Geschäft, er führte unter anderem die legendäre Tangente in der Schlossstraße. Sein Ding war nie die Medienarbeit, die Selbstdarstellung. Seine Programme aber haben Hand und Fuß, und bis heute ist er auf Ballhöhe: Stilsicher bewegt sich der Hobby-Kicker auch auf der Brücke zwischen Pop und Fußball, oft sogar zwischen VfB und Kickers.

Eine so bunte Spielstätte mit Rock-’n’Roll-Geruch, mit kultureller Patina findet man selten. Auch Konzert- und Tournee-Agenturen schätzen den Laden. Er bietet Platz für mehrere hundert Leute, verfügt über erstklassige Tontechnik und einen Parkplatz vor der Tür für Band-Busse. Würde der Club tatsächlich demnächst ohne Aussicht auf Ersatz gestrichen, wäre ein weithin hörbares Beerdigungskonzert angebracht.

In der Röhre passierte eine Menge. Hier habe ich zum ersten Mal in Stuttgart die Einstürzenden Neubauten erlebt, und ich erinnere mich, wie meine Hosenbeine flatterten. Nicht nur aus Angst, es war der industrielle Sound. Ähnliche, weniger kultivierte Klänge wird man bald wieder vernehmen, nämlich wenn die Lastwagen anrücken, um Stuttgart 21 voranzutreiben. Das nützliche Loch wird, um den Amtsjargon zu bemühen, einer anderen Nutzung zugeführt. Die Art des Abschieds ist ärgerlich. Das ist keine Art.

SOUNDTRACK DES TAGES



KOMMENTARE SCHREIBEN: LESERSALON



DIE STN-KOLUMNEN

E-Mail-„Kontakt



FRIENDLY FIRE:

FlÜGEL TV - Alle Schandtaten vom Bahnhof live

UNSERE STADT

KESSEL.TV

EDITION TIAMAT BERLIN (Hier gibt es mein aktuelles Buch "Schwaben, Schwafler Ehrenmänner - Spazieren und vor die Hunde gehen in Stuttgart")

www.bittermann.edition-tiamat.de (mit der Fußball-Kolumne "Blutgrätsche")

GLANZ & ELEND



 

 

Auswahl


Depeschen 2311 - 2318

Depeschen 2281 - 2310

Depeschen 2251 - 2280

Depeschen 2221 - 2250

Depeschen 2191 - 2220

Depeschen 2161 - 2190

Depeschen 2131 - 2160

Depeschen 2101 - 2130

Depeschen 2071 - 2100

Depeschen 2041 - 2070

Depeschen 2011 - 2040

Depeschen 1981 - 2010

Depeschen 1951 - 1980

Depeschen 1921 - 1950

Depeschen 1891 - 1920

Depeschen 1861 - 1890

Depeschen 1831 - 1860

Depeschen 1801 - 1830

Depeschen 1771 - 1800

Depeschen 1741 - 1770

Depeschen 1711 - 1740

Depeschen 1681 - 1710

Depeschen 1651 - 1680

Depeschen 1621 - 1650

Depeschen 1591 - 1620

Depeschen 1561 - 1590

Depeschen 1531 - 1560

Depeschen 1501 - 1530

Depeschen 1471 - 1500

Depeschen 1441 - 1470

Depeschen 1411 - 1440

Depeschen 1381 - 1410

Depeschen 1351 - 1380

Depeschen 1321 - 1350

Depeschen 1291 - 1320

Depeschen 1261 - 1290

Depeschen 1231 - 1260

Depeschen 1201 - 1230

Depeschen 1171 - 1200

Depeschen 1141 - 1170

Depeschen 1111 - 1140

Depeschen 1081 - 1110

Depeschen 1051 - 1080

Depeschen 1021 - 1050

Depeschen 991 - 1020

Depeschen 961 - 990

Depeschen 931 - 960

Depeschen 901 - 930

Depeschen 871 - 900

Depeschen 841 - 870

Depeschen 811 - 840

Depeschen 781 - 810

Depeschen 751 - 780

Depeschen 721 - 750

Depeschen 691 - 720

Depeschen 661 - 690

Depeschen 631 - 660

Depeschen 601 - 630

Depeschen 571 - 600
18.10.2010

16.10.2010

15.10.2010
13.10.2010

12.10.2010

11.10.2010
09.10.2010

08.10.2010

07.10.2010
06.10.2010

05.10.2010

04.10.2010
02.10.2010

30.09.2010

29.09.2010
27.09.2010

26.09.2010

25.09.2010
23.09.2010

21.09.2010

19.09.2010
18.09.2010

16.09.2010

14.09.2010
13.09.2010

10.09.2010

08.09.2010
07.09.2010

04.09.2010

02.09.2010

Depeschen 541 - 570

Depeschen 511 - 540

Depeschen 481 - 510

Depeschen 451 - 480

Depeschen 421 - 450

Depeschen 391 - 420

Depeschen 361 - 390

Depeschen 331 - 360

Depeschen 301 - 330

Depeschen 271 - 300

Depeschen 241 - 270

Depeschen 211 - 240

Depeschen 181 - 210

Depeschen 151 - 180

Depeschen 121 - 150

Depeschen 91 - 120

Depeschen 61 - 90

Depeschen 31 - 60

Depeschen 1 - 30




© 2007-2024 AD1 media ·