Bauers Depeschen


Samstag, 13. März 2010, 463. Depesche





NÄCHSTER FLANEURSALON: Mittwoch, 24. März, 20 Uhr, Theater-Restaurant Friedenau, Stuttgart-Ostheim. Vorverkauf: 0711 / 2 62 69 24. Siehe "Termine".



Achtung, ab sofort wieder auf dieser Seite:

JOE BAUER IN DER STADT - DIE STN-KOLUMNEN



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Hier auf mehrfachen Wunsch meine aktuelle Geschichte über den Stuttgarter Kabarettisten ROLF MILLER

Und da die heutige StN-Kolumne versehentlich nicht online gewandert ist, steht sie eben hier:



HEISSE PRESSLUFT



Manchmal wenn ich morgens am Rotebühlplatz ankomme, hat man den Rollladen des Keller Klubs schon hochgefahren. Dann weicht der letzte Druck einer Rock’n’Roll-Nacht, heiße Luft steigt die Treppe hoch und gefriert vor meiner Nase wie der Atem in der Winterkälte.

Freitagmorgen. Lebensfrohe Rocker mit Namen Hassliebe und Luxusmüll werden am Abend den Keller wieder auf Vordermann bringen. Die Ärzte in den Stockwerken darüber haben um diese Zeit Feierabend. Im Haus arbeiten ein Radiologe, Monsieur Dr. Grandjean, und eine Mund- und Kieferchirurgin, sie heißt Frau Dr. Zahn. Manchmal fügen sich die Dinge im Leben. Anderen Ärzten im Haus haben die Keller-Sounds womöglich nicht mehr gefallen, ein Schild hängt neben dem Eingang: „Wir sind weg“. Das klingt wie Rock’n’Roll von Dr. Feelgood.

Es ist ein kalter, klarer Morgen, und als ich die Namen von der Hauswand notiere, fällt mir das Lied ein, weiß der Teufel, warum: „Im Märzen der Bauer die Rösslein einspannt . . . Er mäht das Getreide, dann drischt er es aus. Im Winter da gibt es manch herrlichen Schmaus.“

Ich schnappe Sprachfetzen von Passanten auf, sie singen das Märzenlied von Kälte und Elend. Man könnte glauben, wir erlebten den ersten Kriegswinter seit 1945. Mein gummiertes Taschenfernrohr von Nokia habe ich dabei, man kann damit in jeder Lage aus seinem Kältekerker hinausschauen, aber man sieht keine Veränderung, die mit dem Winter zu erklären wäre. Am Turm auf dem Wilhelmsbau leuchtet wie einst im Mai die Bosch-Reklame, gegenüber, unbeirrbar, thront das Quadrat von Wulle-Biere. Nur etwas weiter hinten, die Tafel an der Fassade des sechsten Stockwerks, die dürfte nicht ganz so alt sein: „World of Kebap“. Ich bin weg.

Ein wenig Zeit habe ich noch am Morgen. Querfeldein übers Eis durch die Stadt. Am Hans-im-Glück-Brunnen stehen Freiluftstühle angekettet vor den Kneipen. Am Abend werden darauf Gäste Platz nehmen, oben nur mit einem T-Shirt bekleidet. Der Kurzärmel-Look gilt jetzt als supercool.

Ich eile am Rathaus vorbei, bevor ich in die U-Bahn abtauche und im nächstbesten geheizten Zug das Plakat mit der Berufsempfehlung lese: „Mach es von Anfang an richtig! Dein Start in die Medienbranche.“ Die Medienbranche wird oft fälschlicherweise auf das Pressegeschäft reduziert, und die Presse genießt keinen guten Ruf.

Mitten in der Eiszeit ist schon wieder eine Pressesprecherin des Oberbürgermeisters abgesprungen, der OB verliert seine Pressesprecher wie Kellerclubs ihre Fußballtrainer, manchmal mehrere pro Saison.

Der Oberbürgermeister selbst ist kein guter Pressesprecher, man kennt ihn als Gepresst-Sprecher. Wenn er mal was sagt, was in jüngster Zeit nie vorkommt, versprüht er den Charme einer Zitronenpresse, und selbst wenn er beim Fassanstich in Humorabsicht den Mund aufmacht, bestellt man beim Kellner versehentlich Presswurst statt Bratwurst. Press ist das englische Wort für Presse, und einer wie ich weiß, was gemeint ist, wenn man ihn ein Presssackgesicht heißt.

In der Medienbranche ist der Kalauer nicht mehr so verpönt wie früher, als Oberbürgermeister ohne Sprecher zur Presse sprachen. Heute spricht kein Mensch mehr vom Sprechen, man nennt das Kommunikation. Und wenn gar alles zum Verständnis fehlt, etwa eine Rede über den Sinn eines abertausendmillionenteuren Baulochs, dann sprechen der Oberbürgermeister und die Sprechblasenfüller seiner Werbeagentur vom Kommunikationsloch.

Der Oberbürgermeister ist keiner, der kommuniziert. Er ziert die Kommune.

Fürs Reden reicht heiße Pressluft.

So schafft man sich Presstige.

Genug mit dem Unsinn. Was ich gerade betreibe, ist Kalauer-Pressing aus der Tiefe des Sprachkellers. Der Fußballer weiß, was ich damit meine, und er weiß auch, dass wegen des Scheißwinters heute schon wieder das Kickers-Spiel ausfällt. KOMMENTAR



 

 

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