Bauers Depeschen


Donnerstag, 05. November 2009, 398. Depesche



BETR.: DIES UND DAS & DIE KLEINE TIERSCHAU

Kolumnen in den Stuttgarter Nachrichten



Auf den Flaneursalon am 25. November im Schlesinger, die kleine Zugabe nach der Präsentation meines Buchs "Schwaben, Schwafler, Ehrenmänner" im Theaterhaus, brauche ich nicht mehr hinzuweisen. Die Kneipe füllt sich, und ich bin nicht mehr so naiv wie zu Anfang des Depeschen-Geschäfts, als ich mit Resonanz auf Ankündigungen gerechnet habe. Manchmal habe ich sogar auf Tipps oder Austausch spekuliert. Da hatte ich noch Humor. Aber das schlechte Gewissen ruft - und dann müssen die Termine eben auf die Seite, auch die der Komplizen wie Herr Baisch oder Herr Gaedt usw.

Heute Morgen ging vor dem Stuttgarter Landgericht die juristische Schlacht zwischen den Mitgliedern der ehemaligen Kleinen Tierschau zu Ende: Mantel als Aggressor vs. Gaedt & Schulig. Rosenkrieg. Total irrational. Ergebnis: Gaedt & Schulig zahlen Mantel zwei Jahre lang 1000 Euronen monatlich Abfindung all inclusive und heißen von heute an wieder DIE KLEINE TIERSCHAU.

Lieber doof sein als sonstwie heißen.

Am kommenden Montag (10 Uhr, und keine Minute früher) beginnt der Vorverkauf für „Die Nacht der Lieder“, die Benefiz-Show zugunsten der Aktion Weihnachten der Stuttgarter Nachrichten. Der Abend, immer sehr schnell ausverkauft, geht am 9. Dezember im Schauspielhaus der Staatstheater über die Bühne, als Teil einer großen Spendenaktion, mit der Menschen in Not geholfen wird.

„Die Nacht der Lieder“, eine von mir organisierte Mixed Show zwischen Klassik und Comedy, Jazz und Rock, findet zum neunten Mal statt. Eric Gauthier moderiert, er bringt seine Band und seine Theaterhaus-Kompanie Gauthier Dance mit. Es treten auf: die füenf, Vincent Klink & Patrick Bebelaar, Schauspieler des Staatstheaters, Bernd Konrads Saxophon-Quartett, Dacia Bridges & Band, die Hot Club Harmonists und die Staatsopernsolistin Catriona Smith.

Mit Blick auf die Champions-League-Woche ist mir eine alter Text eingefallen, ich habe ihn 1996 geschrieben, das war vor meiner Kolumnen-Zeit:



AJAX GEGEN BOGART



Der entflohene Sträfling Vincent Perry, zu Unrecht wegen Mordes an seiner Frau verurteilt, landet auf der Flucht in einer Bar. Er bestellt sich Eier mit Schinken und blättert in einer Tageszeitung. Der Barmann fragt den Fremden, ob er in der Zeitung den Sportteil vermisse. Vincent Perry schaut auf und erkundigt sich nach den Ergebnissen eines Pferderennens. Das war ein Fehler. Auf der Rennbahn, die er dem Barmann genannt hat, hat seit langem kein Rennen mehr stattgefunden. Ein Gast der Bar wird misstrauisch. Es sieht nicht gut aus für Vincent Perry.

Vincent Perry hätte sich in seinem Leben nicht für Sport begeistern sollen. Sport bringt Unglück.

Warum habe ich mir am Mittwoch das Spiel zwischen Borussia Dortmund und Ajax Amsterdam angeschaut? Wahrscheinlich hat es etwas mit der verkitschten Liebe zum Kohlenpott und dessen verklärter Fußball-Vergangenheit zu tun. Vielleicht aber auch mit Ajax Amsterdam, dem mysteriösen Verein, der von Zeit zu Zeit Fußball so magisch-elegant zelebriert wie kein anderer Club dieser Welt.

Da aber in fast jedem Fußballfan eine fatale Mischung aus Patriotismus und Dazugehörigkeitsgefühl schlummert, geschah etwas Fürchterliches: Die Holländer spielten die Borussen dermaßen an die Wand, dass ich mitten im Spiel aus Verzweiflung zu zappen begann.

TV-Taste 10 = RTL, Champions League.

TV-Taste 9 = WDR 3, „Dark Passage“ („Das unbekannte Gesicht“), Spielfilm, USA 1947.

Depressiv hin und her, vor und zurück: Taste 10, Taste 9. Das haben sie davon, von ihren miesen deutschen Mannschaften, von ihren Werbeblöcken, von ihren „Analysen“. Schau’n mer mal nicht, Herr Experte Beckenbauer, schau’n mer halt mal nicht. Schluss mit dem Theater.

Weg von den Ringelsocken, rüber zu den Augenringen von Vincent Perry alias Humphrey Bogart. Diese Sprunghaftigkeit beim Glotzen resultiert womöglich auch aus der Sehnsucht nach dem Dialog, aus der zwanghaften Vorstellung, etwas sagen zu müssen oder gar etwas zu sagen zu haben. Es ist entwürdigend, allein vor dem Fernseher zu sitzen und - ohne die geringste Chance auf ein menschliches Echo - die Wände anzuschreien: Borussia ist Bullshit, Borussia macht krank.

Taste 9. Vincent Perry muss zum Chirurgen, um sein Steckbrief-Gesicht verändern zu lassen. „Sie werden aussehen, wie jemand, der gelebt hat“, sagt der Arzt. „Das habe ich, Doktor“, sagte Bogey.

Auf Taste 10 sterben die Borussen gerade einen langsamen, jämmerlichen Tod. Es steht zwar erst 1:0 für Ajax. Aber Dortmund wird heute keinen Fuß mehr auf den Boden kriegen, keinen Treffer landen, das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Die Holländer zaubern, die Deutschen kloppen. Taktik und Technik, Spielwitz und Ballgefühl – das alte Problem von Haben und Nichthaben.

Marcel Reif kommentiert das Spiel mit dem biergetränkten Blues seiner Werbespot-Stimme. Der Kommentator weiß, dass die Partie für Dortmund verloren ist. Deutsche Fußballherrlichkeit lässt sich an diesem Abend auch nicht herbei reden.

Taste 9. Ich bin ein Verlierer, sagt Bogey, ich kann nicht gewinnen.

Taste 10. Marcel Reif erzählt uns die Geschichte des Ajax-Spielers Patrick Kluivert. Der junge Stürmer ist neulich mit seinem Auto viel zu schnell gefahren und hat deshalb einen Unfall verursacht. Der Spieler Kluivert, sagt Reif, warte jetzt auf seinen Prozess. Es drohten zwölf Monate Gefängnis. Ein Passant ist bei Kluiverts Unfall ums Leben gekommen.

Taste 9. Bogey ist dem wahren Mörder seiner Frau auf der Spur. Ich hoffe, er wird ihn finden.

Taste 10. Die Uhr am oberen Bildschirmrand zeigt die 83. Spielminute. Der Spieler Patrick Kluivert schießt das 2:0 für Ajax Amsterdam. Ich hoffe gar nichts.

Taste 9. Bogey plant seine Flucht nach Südamerika. Er könnte dort, wenn alles gut geht, eine schöne Frau treffen.

Taste 10. Das Spiel ist aus.

Der Mann, der bei Kluiverts Autounfall ums Leben kam, lese ich später in der Zeitung, war von Beruf Theaterdirektor.



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