Bauers DepeschenDienstag, 11. November 2008, 249. DepescheBETR.: COWBOYS, KRAUT "Die Nacht der Lieder" am 9. und 10. Dezember im Schauspielhaus der Stuttgarter Staatstheater, von der ich zuletzt in der leider Gottes nicht letzten Depesche berichtet habe, ist demnächst ausverkauft (Kartentelefon: 0711 / 20 20 90). Fast 1600 Karten für die Benefiz-Show in zwei Tagen weg, darauf könnte ich einen trinken, wenn ich nicht seit 21 Monaten nicht trinken würde. Und noch ein Beweis dafür, wie schnell sich politisch alles ändert: Gestern hieß unsere jüngste Band im Nacht-der-Lieder-Programm noch Flip Chart, heute nennt sie sich 25 % TOO YOUNG TO SHAVE. Pitralon kann warten. Herr Geyer aus Frankfurt am schönen Maine appelliert an meine Ehre: Als Cowboy, mailt er, müsste ich eigentlich wissen, dass Flinten nicht dazu gemacht worden seien, um ins Korn geworfen zu werden. Tatsächlich haben Cowboys schon Depeschen aufgegeben, als es noch Cowboys gab. Depeschen hat nicht Hemingway erfunden. Herr Sock schreibt mir, ich hätte ihm neulich einen fast tödlichen Schreck eingejagt, als ich den Depeschen-Klickern wünschte, der Blitz möge sie beim Scheißen treffen. Herr Sock saß mit irgendeinem Internet-tauglichen Pod gerade Depeschen lesend auf der Schüssel. Ist mir doch egal, die Stuttgarter Kickers haben am Wochenende ihr erstes Saisonspiel gewonnen, 2:1 durch ein Eigentor von Dresden. 1800 Dresdner Dynamo-Fans hüpften in ihrem Block hinterm oberen Waldau-Torn neunzig Minuten lang so hartnäckig, als wollten sie über die Mauer schauen. Es war klar, dass wir gewinnen würden. Ich hatte am Tag des Spiels in einer Kolumne Mr Obama um Beistand gebeten: www.stuttgarter-nachrichten.de/joebauer. Hier noch eine depeschenmäßige Sauerkrautsache: WURSTEL CON CRAUTI Ich habe mir lange überlegt, wann ich zum letzten Mal Sauerkraut gegessen habe. Es gibt keinen Grund, kein Sauerkraut zu essen, ich hab nur den Eindruck, Sauerkraut sei in Verruf oder womöglich in weiten Kreisen der Bevölkerung in Vergessenheit geraten. Mag sein, dass ich mich täusche. Ich denke selten an Sauerkraut. Dabei leben wir in Stuttgart in einer Sauerkrautzone. An manchen Tagen, an denen der Wind falsch steht, riecht es, als seien wir in ein Sauerkrautfass gefallen. Das letzte Mal, als ich auf dem Sauerkrautsektor tätig war, muss in der Markthallenkneipe gewesen sein. Die führen Sauerkraut. Falls ich dort Sauerkraut gegessen habe, dann ohne diesem Ereignis viel Bedeutung beizumessen. Ich bin kein Sauerkrautevaluator, auch wenn ich schon gutes Sauerkraut gegessen und verarbeitet habe. Sauerkraut taugt jederzeit als Erleichterungsbombe. Es gibt Wirtshäuser, die nach Sauerkraut riechen, obwohl sie gar kein Sauerkraut im Programm haben. Die werden von Sauerkrautwirten geführt. Es gibt geborene Sauerkrautwesen. Man erkennt sie nicht immer nur am Sack, sondern auch am Sackgesicht. Im angelsächsischen Raum wird das Wort Kraut gern als Synonym für den Deutschen verwendet. Der Engländer und der Amerikaner sagen allerdings nicht „the Sauerkrauts“, sie sagen „the Krauts“. Deshalb bleibt offen, was der Engländer und der Amerikaner vom Deutschen wirklich halten. Ob sie ihn als Sauerkraut, als Blaukraut oder als Spitzkraut sehen. Klar wird der Krautkonflikt, wenn es um Fußball geht. Wenn der Deutsche auf der Insel spielt, gibt es von der englischen Presse den üblichen warmherzigen Empfang: „Morgen seid ihr erledigt, Krauts!“, „Morgen seid ihr tot, Krauts!“, „Blitzkrieg – wir werden euch vernichten, Krauts!“ Das goutieren wir, ohne sauer zu sein. Seit ich den Eindruck habe, die Lust auf Sauerkraut habe weltweit dramatisch nachgelassen, meldet die Sauerkrautbranche nur noch vorübergehend Hochs. In Jonathan Franzens betagtem Roman „Die Korrekturen“ gibt es die Spitzenköchin Denise Lambert, Tochter von Enid und Alfred Lambert. Denise eröffnet mit Hilfe eines Mäzens in Philadelphia das Gourmet-Restaurant Generator, und eines ihrer absoluten Lieblingsgerichte ist Rippchen mit Sauerkraut, nicht zu verwechseln mit „Wurstel con crauti“ , dem nur relativ ähnlich gelagerten Würstchenfall des Italieners. Irgendwie aber wird Denise mit ihrem Sauerkraut nicht glücklich, was nicht allein daran liegt, dass sie regelmäßig mit der Frau ihres Mäzens schläft und am Ende auch mit dem Mann der Frau ihres Mäzens, wenn Sie wissen, was ich meine. “Warum bestellt hier keiner Rippchen?“, fragt sie einen Angestellten. „Amerikaner mögen kein Sauerkraut“, antwortet der Mann. „Quatsch“, sagt Denise. „Wann immer es jemand bestellt hat, habe ich in den Tellern, die zurückgekommen sind, mein Spiegelbild gesehen.“ „Möglich, dass unter den Gästen ab und zu ein paar Deutsche sind“, sagt der Angestellte. Aus diesem Dialog schließe ich, dass Sauerkraut transatlantisch am Ende ist. Ich schätze sogar, Denise würde sich heute nicht mehr trauen, in Amerika Sauerkraut zu kochen. Mr Obama ist kein Sauerkrauttyp. - Joe Bauers Flaneursalon präsentiert Die Kleine Stadtrevue: Dienstag, 25. November, 20.30 Uhr, Lokalität Rosenau - mit Los Gigantes, Michael Gaedt & Anja Binder, Roland Baisch und Dacia Bridges & Alex Scholpp. Es gibt noch Karten: 0711 / 661 90 90 „Kontakt“ |
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