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Dienstag, 06. Oktober 2015, 1532. Depesche

 

"In Stiefeln durch Stuttgart"

MEIN NEUES BUCH JETZT IM HANDEL



LIEBE GÄSTE,

dem einen oder der anderen mag es verdammt aufdringlich erscheinen, aber was soll ich machen, wenn es keine Werbung außer dieser Homepage gibt: Mein neuer Kolumnen-Band "In Stiefeln durch Stuttgart - Zwischen Komakäufern und Rebellen" ist jetzt im Buchhandel erhältlich. Neben den Kolumnen sind auch einige andere Texte drin. 254 Seiten, Edition Tiamat, Berlin, 15 Euro. Im Stiefellalden Boots by Boots, Gerberstraße 5 F, liegen noch ein paar signierte Bücher bereit.



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LIED DES TAGES



Die aktuelle StN-Kolumne:



FRITZ MACHT MOBIL

Mobilität ist in unserer Stadt extrem ausgeprägt: Junge Menschen verlassen tapfer Hotel Mama und kampieren nächtens auf der Königstraße, um sich im Morgenlicht Turnschuhe mit der Signatur des Rappers Kanye West zu erkämpfen. Diese Art Opfertempel-Belagerung auf Einkaufsmeilen ist lustig: Der amerikanische Megastar Kanye West warnt uns ja in seiner Musik eindringlich vor Konsum- und Markenterror.

Ihre Mobilität demonstrieren die Menschen nicht nur im Kaufrausch. Entschlossen erobern sie auch die Welt der Massenpartys und stürmen zu Tausenden mit Dirndl und Lederhose die Bierzeltfestungen des Volksfestes. Angesichts dieser Süchtlingsflut zum Wasen erscheint einem die Flucht von Millionen Menschen vor Krieg und Elend sehr weit weg.

Mitten in dieser Ära beschleunigter Beweglichkeit hat unser OB seine eigene „Mobilitätskampagne“ ausgerufen und für eine sechsstellige Summe von einer Essener Firma realisieren lassen. Die behauptet von sich in rührend abgedroschenem ReklameDeutsch, sie sei „mehr als eine Werbeagentur“ – was versehentlich sogar stimmen mag: Es ist nur noch eine Frage der Zeit, bis Marketing-Typen vollends die Aufgaben der Politik übernehmen und Politiker zu deren Freude als gecoachte Marionetten tanzen lassen. Der einst mit allen Wassern des Kapitalismus gewaschene Musiker Frank Zappa hat es uns erklärt: „Politik ist die Unterhaltungsabteilung der Wirtschaft.“

Die Mobilitätskampagne der Stadt verbreitet das Motto „Stuttgart steigt um“ und meint damit alles andere als eine geistige Wende. Das städtische „Amtsblatt“ (nicht zu verwechseln mit dem Kundenorgan „mobil“ der Deutschen Bahn) teilt mit, man werbe „großflächig“ für den „Umstieg aufs Rad, die Nutzung von Bussen und Bahnen und die Bewältigung kleinerer Strecken zu Fuß“. All diese revolutionären Einschnitte ins Alltagsleben sind für einen Normalsterblichen komplett neu. Die Mobilisierung der freien Bürger zur „nachhaltigen Mobilität“ streift im Übrigen überwältigend rücksichtsvoll das Automobil, eine in Stuttgart stark präsente Errungenschaft zur nachhaltigen Luftvergiftung.

Der Oberbürgermeister wiederum ist Protagonist einer Partei mit geradezu virtuoser politischer Mobilität, sobald es um die Macht geht. Und so sagt es uns der OB mit den Worten des Schattenparkers: „Wir wollen dazu anregen, auch mal das Auto stehen zu lassen und den für sich passenden Mobilitäts-Mix zu finden.“ Dann gäbe es, man staune, weniger Lärm, weniger Staus und weniger Stinkeluft. Prima Klima.

In meiner kleinen Straße im Westen habe ich unlängst eine für den heimischen Mobilitäts-Mix symbolische Szene beobachtet: Zwei SUV-Automobile, das eine von Porsche, das andere von Hyundai, standen sich in entgegengesetzter Richtung gegenüber. Die Fahrer schienen sich bei heruntergelassenen Scheiben angeregt zu unterhalten. Als ich näher kam, hörte ich, wie sie sich anschrien: Mit ihren Protzkübeln waren sie so egoistisch aufeinander zugefahren, dass sie nicht mehr aneinander vorbeigekommen wären, ohne sich die Außenspiegel zu zermalmen. Bei diesem Anblick musste ich lachen, auch weil dahinter ein Lieferwagen das Gebell der beiden Fahrer in ein fideles Hupkonzert einbettete. Dachte mir: Da kommst du mit deinen Cowboystiefeln eher die Kletterwand hoch als diese zwei SUV-­Dackel durch eine normale Straße.

Die teure Mobilitätskampagne verschandelt unterdessen die Umwelt nicht nur mit Plakaten, die uns mit der ästhetischen Dynamik der „Apotheken Umschau“ infizieren. Es sind auch sogenannte Promis im Einsatz, etwa eine gewisse Astrid Fünderich: „Die aus der ZDF-Serie ,Soko Stuttgart’ bekannte Schauspielerin“, so das „Amtsblatt“, „ist passionierte Fußgängerin.“ Juhu. Dass sie den Hinkebein-Stabreim „Auf jeden Fall zu Fuß!“ verbreitet, ergibt bei näherem Hinsehen durchaus Sinn: Angesichts der Schauspielkunst in deutschen Fernsehserien ist es schon mal ein Ausrufezeichen wert, wenn jemand unfallfrei geradeaus gehen kann.

Betörend auch das doppelsinnig hingetrickste Mobilitäts-Motto „FAHRT SMART!“ Über das Wort „smart“, den meisten von und dank der Zwergen-Autos und der noch kleineren Taschentelefone bekannt, schreibt der Soziologe Harald Welzer: Mit dem Anglizismus „smart“ werde etwas anderes bezeichnet als mit dem deutschen Wort „klug“: „Das Übertölpeln von jemand anderem schwingt ja schon mit, wenn jemand sich ,smart’ verhält oder sich, wie im Amerikanischen, als ,smart ass’ erweist: So jemandem zollt man Bewunderung, obwohl man von ihm beschissen worden ist.“

Selbstverständlich zielt Welzers Interpretation nicht auf die Geschäftspraktiken der SSB. Die Umsteiger-Nummer des OB, bestückt mit coolen Dorfdeutsch-Sprüchen wie „Ride Easy!“ oder „Share it! Like it!“, erinnert mich an den Slogan eines Schokoriegels mit dem visionären Namen „Mars“. Man sollte den Spruch zu Ehren unseres smarten Papiertigers leicht modifiziert neu auflegen: „Fritz macht mobil – bei Arbeit, Sport und Spiel!“ Und da es bei Kuhns Mobilitäts-Marketing mitten im Landtagswahlgekläff um den Kampf gegen den Umweltschmutz geht, weiß ich als passionierter Reklamefuzzi nachhaltig Rat: „Willst du viel, spül mit Pril.“



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