Bauers Depeschen


Samstag, 12. September 2015, 1520. Depesche



HEIMSIEG: Stuttgarter Kickers - FC Magdeburg 1:0

 

Kein Tag ohne Schleichwerbung - noch gibt es Karten:

FLANEURSALON mit Buch-Premiere ("In Stiefeln durch Stuttgart") am Sonntag, 18. Oktober, im Theaterhaus. Mit Christine Prayon, Vincent Klinks Brass On Strings Orchestra, Eric Gauthier & Jens-Peter Abele, Eva Leticia Pedilla Band, Toba Borke & Pheel.

KARTEN: THEATERHAUS - Telefon: 07 11/4020-720.



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Die aktuelle StN-Kolumne:



ALTSTADT-INSEL

Ein paar Tage war ich in Berlin. Ziellos stiefelte ich an einem Herbstabend durch Neukölln und landetet in der Karl-Marx-Straße vor einem alten Gebäude mit Leuchtreklame, wie wir sie heute selten sehen: Radios, Grammophone von Saba, Telefunken, Blaupunkt. Das Haus „Musik Bading“, 1919 gegründet, existiert immer noch, als Instrumenten-Handlung. Schon bei der Erwähnung solcher Beobachtungen gerät man heute schnell in den Verdacht, an nostalgischen Anfällen zu leiden, meist vorgebracht von Leuten, die sich nie darum kümmern, was vor uns war, und wie sich die Dinge entwickeln.

Natürlich erinnerte mich „Musik Bading“ an den Radio-Barth, das legendäre Musikhaus am Rotebühlplatz, wo der RAF-Terrorist Andreas Baader bis zu seinem Tod regelmäßig Platten über seinen Anwalt bestellte. Der Musikliebhaber Helmuth Fiedler, damals Verkäufer bei Barth, weiß es noch genau: Baader ließ sich stets das Teuerste aus Klassik-Reihen liefern. Claudio Monteverdi, Heinrich Schütz, Johann Sebastian Bach. 1995 musste der Radio-Barth 1995 schließen, das Haus wurde später abgerissen, was nichts mit dem Kunden aus Stammheim zu tun hatte. Auf das Gelände stellte man einen Büro- und Ladenkomplex mit dem läppischen Namen City Plaza.

Kaum war ich in Stuttgart aus dem Zug gestiegen, las ich im Internet eine Nachricht, die ich zunächst für einen Scherz hielt: Der Live-Club Kiste, nicht nur Jazz-Freunden ein Begriff, hat dicht gemacht. Von jetzt auf nachher. Der Mieter der Altstadt-Kneipe an der Hauptstätter Straße, Wolfgang Münch, teilte mit, das Ende „in der jetzigen Konstellation“ habe sich abgezeichnet, „aber nun ging es aufgrund äußerer Umstände unerwartet schnell“.

„Äußere Umstände“ in der Kulturszene sind in der Regel ein anderes Wort für akute Geldnot. Gestern ging ich ins Leonhardsviertel und sah das Papier im Fenster der Kiste: Alle geplanten Konzerte abgesagt.

Der Programm-Planer des Ladens, ­Romeo Lichtenfels, wurde von der Entscheidung des schweigsamen Kiste-Wirts ebenso überrascht wie der Vorsitzende des Kiste-Vereins, Michael Greulich. Als ich den bekannten Chirurgen und Jazz-Förderer gestern anrief, saß er im Zug von Berlin nach Stuttgart. Selbstverständlich muss ich seine Absicht, die Kiste so schnell wie möglich wieder zu öffnen, mit Nachdruck unterstützen: Schon zweimal hat mir der Professor den Ringfinger meiner linken Hand nach Sehnenrissen als gealterter Fußballtorwart gerettet. Das muss einfach mal gesagt werden, zumal ihm nicht nur Stümper wie ich, sondern viele begnadete Musiker die Wiederherstellung existenziell wichtiger Gliedmaßen verdanken.

Also befasse ich mich erst gar nicht mit der Finanzkrise des Kiste-Wirts. Wichtig ist: Das rustikale Wohnzimmer der Jazz-Familie ohne Genre-­Grenzen muss erhalten werden. Nicht nur, damit die Kiste 2016 ihr vierzigjähriges Bestehen feiern kann. Seit „Atze“ Gericke (heute Chef des Lokals ­Friedrichsruh) und Roger Röger (ein beseelter Sänger) den Live-Laden gegründet haben, ist er eine kulturelle Insel im Leonhardsviertel. 300 Konzerte gehen jährlich über die Bühne. Mal kommen 30, mal mehr als 100 Leute zu den Shows. Ein belebendes Biotop wie die Jazz-Bar ist unersetzlich im Rotlichtbezirk, zumal die Rathaus-Oberen bis heute glauben, dem Quartier sei am besten mit Verordnungen gegen die Prostitution gedient.

Die Ecke Leonhardsplatz/Hauptstätter Straße verliert zurzeit ohnehin an Kiez-Qualität: Schon Ende September zieht der Plattenladen Ratzer Records an den Marienplatz um. Mit seinem Café-Charakter neben der Kneipe Brunnenwirt war er eine Austauschbörse zur Aufwertung des Viertels. Dass die Plattenladenmiete in dem stadteigenen Haus den üblichen Preisen entspricht, verrät etwas über die Kurzsichtigkeit der Politik: In der Altstadt müssen zur Belebung und Förderung des Quartiers vernünftige Maßstäbe gesetzt werden. Die Mieteinnahmen bedeuten nicht mal Peanuts für eine Stadt, die andernorts auf die Schnelle zig Millionen für die Kulturprojekte des Event-Publikums locker macht. Bekanntlich befrieden auch kleine Bühnen soziale Brennpunkte und zahlen sich deshalb mit Blick auf die Sicherheit sogar wirtschaftlich aus.

Kurzum: Die Kiste, in einem Privathaus, muss schnell finanziell gerettet werden, vor allem auch aus künstlerischen Gründen: Auf der Bühne präsentieren Größen wie die süd­koreanische, in Stuttgart lebende Pianistin Gee Huy Lee Konzert-Reihen mit erstklassigen Musikern. In der Kiste absolvieren Studenten der Musikhochschule ihre ersten Auftritte vor Publikum; die Live-­Erfahrung ist für sie enorm wichtig.

Der Musikliebhaber und -kritiker Thomas Staiber ist seit Jahrzehnten Kiste-Gast: „In den Laden kommen junge und ergraute Leute, eine sehr lebendige ­Mischung“, sagt er, „die Kiste ist auch wichtig als Gegenstück zum eher geschniegelten Bix Jazz-Club.“ Tatsächlich ist die Nachbarschaft von Bix im Sieglehaus und Kiste an der Hauptstätter Straße ein Glücksfall für den Swing der Altstadt: Da begegnen sich kleine Welten von Künstlern und Publikum. Und oft rappelt es hüben wie drüben in der Kiste.



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