Bauers Depeschen


Donnerstag, 23. Oktober 2014, 1368. Depesche



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NACHSCHLAG: Stuttgarter Kickers - Energie Cottbus 2:2



LIEBE GÄSTE,

es gibt es in diesem Jahr noch zwei Flaneursalon-Abende. Am Samstag, 29. November, mit Zam Helga & Ella Estrella Tischa im Selbstverwalteten Stadtteilzentrum Gasparitsch in Ostheim, Rotenbergstraße 125. Und am Dienstag, 16. Dezember, in der Kneipe Schlesinger. Näheres demnächst. An diesem Samstag, 25. Oktober, feiert Ratzer Records sein 30. Dienstjubiläum. Zur Eröffnung der Geburtstagsparty halte ich um 15 Uhr im gleichnamigen Plattencafé am Leonhardsplatz die Laudatio. - Karten gibt es zurzeit noch für die Benefiz-Show "Die Nacht der Lieder" am 9. und 10. Dezember im THEATERHAUS. Telefon: 07 11 / 4 02 07 20. Die Einnahmen gehen an die Aktion Weihnachten der StN und damit an Menschen in Not.



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LIED DES TAGES



Die aktuelle StN-Kolumne:



DIE HUSTENBURG

Es geht südwärts am Morgen, bevor der erste Herbststurm die Reste des Indianersommers aus dem Kessel fegen wird. Nach Heslach, in Stuttgarts vielleicht buntesten Stadtteil. Ziel ist der Südheimer Platz, das Ende von Heslach. Der Architekt Karl Hengerer und der Bankier und Genossenschaftler Eduard Pfeiffer haben die Siedlung Südheim Anfang des 20. Jahrhunderts gebaut, mit ihrem reizvollem Stilmix wie Ostheim, Westheim und ähnliche Kolonien „zum Wohle der arbeitenden Klasse“.

Beim Ausstieg aus der Linie 14 in Richtung Vaihingen linker Hand die Seilbahn zum Waldfriedhof und das Alte Schützenhaus, 1907 Schauplatz des Internationalen Sozialistenkongresses. Rosa Luxemburg, Berlin, und Clara Zetkin, Stuttgart, waren da. Auch Lenin war zu Gast. Der russische ­Revolutionär kannte damals den Stuttgarter Süden schon recht gut. Sechs Jahre zuvor hatte er eine Weile bei seinem deutschen Verleger Johann Heinrich Wilhelm Dietz in Heslach verbracht. Heute beherbergt das Schützenhaus die Buddha Lounge, einen Event-Laden.

Ich biege rechts ab, Richtung Halbhöhe, Heslacher Wand. An diesem Tag gehe ich nicht allein. Max und Roland, zwei erfahrene Stuttgarter Südländer, übernehmen die Navigation. Heslach liegt im Trend, sagt Roland, früher im Werbegeschäft tätig. Max war beim Fernsehen und weiß, der Kollege hat recht. Sein Sohn lebt im Quartier.

Junge Leute zieht es in den Süden der Stadt. Heslach gilt als cool, und es gibt da diese Sogwirkung. Die Verlockung beginnt in der Stadtmitte, wo man am Wilhelmsplatz nach Süden in das angesagte, mit einigen originellen Läden und Kneipen bestückte Wohnquartier Heusteigviertel ­abbiegt. Zieht man die Heusteig-Tour durch, landet man irgendwann am Marienplatz, einem Ort, den junge Menschen zum urbanen Herzstück der Stadt erklärt haben.

Der Platz hat eine nicht unumstrittene Weite, öffnet den Blick. Auf manche wirkt er leer. Ist aber gut belebt. Mir gefällt er. Ein paar Lokale rundum, wie das Galao oder das Arigato, wo Musiker auftreten, reichen für den Traum kleiner Vorstadt-Hipster vom großstädtischen Viertel. Vielleicht wird eines Tages etwas draus, wenn die Strippenzieher im Rathaus begreifen, dass man Urbanität nicht mit Shopping Malls und Plattenbauten herstellt. Weil es in einer Stadt um das bunte Nebeneinander von Alt und Neu, um Großzügigkeit und Gelassenheit, um die Vielfalt des Lebens geht.

Wohin wir an diesem Morgen spazieren, ging es früher ums Überleben. Mit Max und Roland treppauf zur denkmalgeschützten Siedlung Ziegelklinge. 1929 hat man sie an der Sperlingstraße und am Sandweg nach dem Entwurf des Architekten Albert Schieber gebaut. Eine Heimstätte für Tuberkulosekranke; die Patienten konnten hier gemeinsam mit ihren Familien wohnen. Die Heslacher nannten die fünf dreigeschossigen Gebäude „Hustenburg“. Manche auch „Hustenberg“. Beim Blick auf die Häuser am Hang kommt einem der Gedanke an eine Art Heslacher Zauberberg, die Südheimer Version Davoser Luxus-Sanatorien aus Thomas Manns Roman

Die Ziegelklinge wurde nicht für die Reichen gemacht. Bis heute spricht man in Heslachs sozialem Mix von einer A-Bevölkerung: Ausländer, Arme, Arbeitslose. Und man kennt die B-Seite, die Bonzen-Buckel.

Die Luft von Heslach galt in den zwanziger Jahren als besonders gut. Noch heute strömt sie frisch gekühlt vom etwas höher gelegenen Kaltental herab. Unter den Flachdächern der Ziegelklinge können wir die Balkone sehen, einst die Plätze zur Erholung der Kranken. 425 Menschen, erfährt man aus Unterlagen der Stadt, starben 1920 in Stuttgart an Lungentuberkulose, „das waren 11,6 Prozent aller Gestorbenen“.

Heute sind in den ehemaligen Krankenheimen Wohnungen untergebracht; mehrheitlich leben Menschen mit Migrationshintergrund in diesen Häusern. Die Siedlung ist im Besitz der stadteigenen Immobilienfirma SWSG; das Unternehmen will die Wohnungen seit Jahren sanieren. Der Verfall ist sichtbar. Noch gibt es keine genauen Pläne, nur so viel ist sicher: Nach dem Umbau werden die Mieten steigen.

Nach dem Abstieg vom Hustenberg gehen wir ein schönes Stück zu Fuß stadteinwärts, kommen vorbei am Bihlplatz, wo die Gaststätte Ochsen renoviert wird. Wir werfen einen Blick in das wunderbare alte Café Schurr an der Böblinger Straße, schauen in leere Schaufenster, wo mal Läden waren.

Ein Stück hinter dem Marienplatz, in der Römerstraße, machen wir Rast in der italischen Kneipe Loretta, südliche Austauschbörse, Wohnzimmer. Neoliberale Kapitalismus-Verfechter und linke Systemkritiker treffen sich bei Loretta, essen, trinken, quasseln mit schwäbisch-internationaler Gelassenheit. Und allen schmeckt es. Ich glaube, das ist die Heslacher Luft.



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