Bauers Depeschen


Sonntag, 15. Dezember 2013, 1216. Depesche

 

DER KLEINSTE FLANEURSALON ALLER ZEITEN

Dienstag, 17. Dezember: Flaneursalon Intim in der JAKOB-STUBE, Leonhardsviertel. Mit Dacia Bridges & Gabriel Holz. 20 Uhr. Karten (10 € inklusive Getränk) im Lokal.



GROSSER FLANEURSALON IN DER ROSENAU

Mittwoch, 19. Februar 2014, ROSENAU: Auf vielfachen Wunsch tritt der Flaneursalon noch einmal in der Familien-Bande-Besetzung an. Mit Roland Baisch & Sohn Sam, mit Zam Helga & Tochter Ella Estrella Tischa, Toba Borke und Pheel. 20 Uhr. Vorverkauf läuft.



WERTE GÄSTE,

trotz des miesen Wetters war unsere Suppenküche am Samstag in der Leonhardstraße eine schöne Erfahrung, ein guter Austausch mit freundlichen, hilfsbereiten Menschen. Selbstverständlich blieben danach die Kommentare der abwesenden Facebook-Blicker nicht aus. Wer nie etwas macht, weiß immer am besten, wie man es hätte machen müssen, nachdem andere es gemacht haben ... Es ist so lächerlich.

Die bevorstehende Montagsdemo gegen Stuttgart 21 (16. Dezember, 18 Uhr) führt erstmals von der Lautenschlagerstraße zur KUNDGEBUNG auf dem KRONPRINZPLATZ in der Kronprinzstraße. Dort halte ich eine Rede, die sich auch mit dem bevorstehenden Streik der Tageszeitungsjournalisten am Dienstag und Mittwoch dieser Woche beschäftigt.



Der Klick zum

LIED DES TAGES



Kleine Weihnachtsgeschichte:



WIE DAS GRAS WÄCHST

Es wäre vermessen, von einem Stuttgarter Bahnhofsviertel zu reden. Vor Weihnachten 2011 begann in dieser trostlosen Gegend das große Stühlerücken und Magendrücken. Mehr als hundert Künstler und Kleinunternehmer, die sich auf absehbare Zeit in der ehemaligen Bahnhofsdirektion eingemietet hatten, mussten bis Silvester verschwinden. Die Rakete S 21 sollte gezündet werden. Kurz vor der Räumung eröffnete in der Nähe eine Kneipe. Der Namen des Lokals kann gleichziehen mit meinen Stuttgarter Lieblingskneipennamen. Dazu gehören die einstige Radio-Bar im längst abgerissenen Radio-Barth am Rotebühplatz und der zum Glück noch lebendige Palast der Republik in einem früheren Toilettenhaus neben den Metropol-Kinos. Der Laden in der Jägerstraße pflegt das gegenteilige Geschäftsmodell einer Bedürfnisanstalt. Er heißt Schankstelle Super und hat den Charme des Stammhauses behalten: Mehrzweckhalle für Sprit, Tabak und große Klappen. Bei den Typen hinter der Theke und am Herd handelt es sich um gestandene Zapf-Säulen. Die Flaschen stehen in anderen Bars.

Es ging voran, in diesem Dezember 2011, wo der Euro bedrohlicher zu explodieren schien als der Spritpreis. Das große Spiel an den Schank- und Tankstellen der Finanzhaie war in Bewegung geraten. Als ich im Dezember 2011 die Supernasen aufsuchte, begann es nach zwei Sonnenmonaten erstmals wieder zu regen. Ich eilte ins nächste Kaufhaus. Die Kaufhaus-Manager sind nicht mehr so doof wie früher. Weil sich im Gegensatz zu anderen kapitalistischen Ländern der fliegende Regenschirmhändler bei uns nie durchgesetzt hat, stellen sie heute ihre Regenschirme direkt an den Eingang. Daneben steht ein Schild: "Happy Rain".

Schnell fand ich ein billiges Modell, der Weg zur Kasse dauerte etwas. Eine einsame Dame mühte sich verhalten, die Menschenschlange vor der Kasse abzuarbeiten, und ich hatte Zeit für Gedanken. Vor meiner Nase stand eine Frau mit einem Baby im Kinderwagen. Nachdem wir eine Weile zusammen verbracht hatten, kamen wir ins Gespräch.

Zeit ist relativ, sagte ich. Kaum genießt man die großartige Aussicht, mit der Bahn zwanzig Minuten schneller Bratislava und Moskau zu erreichen, büßt man die eingesparte Zeit an der nächstbesten Kaufhauskasse ein. Ja, sagte die Frau mit dem Baby, die eine Geschäftsfrau war, manche Leute haben kein Gespür fürs Tempo.

Aber, fügte sie hinzu, das sei nicht weiter schlimm, ihre eigenen Kunden besänftige sie erfolgreich mit einem afrikanischen Sprichwort: "Das Gras wächst nicht schneller, wenn man an den Halmen zieht."

Nie zuvor hatte ich diesen Satz gehört. Die Frau und ich schwärmten eine Weile von der Weisheit der Afrikaner und plauderten über die Tücken der Zeit. Das Baby im Kinderwagen war in der Zwischenzeit ein wenig gewachsen, es verlangte nach einem Mobiltelefon, um ein Taxi zu rufen. Die Kasse war noch in weiter Ferne, und das Baby gedieh prächtig.

Wie gesagt, Zeit ist relativ, und mir gefiel das Warten in der Schlange. Die Männer in der Schlange hatten inzwischen Vollbärte, und das Baby sagte, es wünsche sich zu Weihnachten eine E-Gitarre und ein iPad. Ich wunderte mich, als ich auf meine Stiefel blickte. Es waren Stiefel, wie sie Gary Cooper in Zwölf Uhr mittags trug. Die Absätze waren schief. Ich beschloss, in Zukunft meinen Mann gelassener zu stehen.

Das Baby wollte wissen, ob ich Lust hätte, in der nächsten Schankstelle einen zur Brust zu nehmen. Das Warten vor der Kaufhauskasse sei etwas uncool. No, sagte ich, ich bin ein alter Spießer und habe Angst, ohne Kassenbeleg einem gottverdammten Kaufhaus-Detektiv in die Arme zu laufen. Kannste vergessen, sagte das Baby, die Schnüffler hat man gleich nach dem Euro-Crash wegrationalisiert. Super, sagte ich, ich gehe schon mal die E-Gitarre und das iPad klauen.

Zu meinem Bedauern war die Mutter des Babys in der Zwischenzeit ziemlich still geworden. Leicht geschrumpft, lag sie im Kinderwagen und bat mich, sie um Gottes willen nicht allein zu lassen. Auf keinen Fall, wir sind zusammen alt geworden, sagte ich und zeigte mit meinem gichtgekrümmtem Mittelfinger auf meine Glatze. "Das Gras wächst nicht schneller, wenn man an den Halmen zieht", sagte ich.

Die Frau hustete, und nachdem ich den Kinderwagen mit der Frau über die Kadaver einiger Pechvögel gewuchtet hatte, standen wir auch schon an der Kasse. Das Baby hatte einen ausgewachsenen Pickel auf der Nase, aber auch ordentliche Brüste im Dekolleté seines Strampelanzugs, und es flüsterte: Die E-Gitarre habe ich unter meinem Lederrock. Okay, Baby, sagte ich, und bezahlte drei Millionen D-Mark in frischen Scheinen für meinen Regenschirm. Die Zeiten haben sich geändert, sagte die Dame an der Kasse. Ja, sagte ich, und brach mir einen Fingernagel, als ich ihr in den Arsch kniff. Sie war ein Skelett und konnte es nicht hören, als ich unter dem Rock des Babys ein paar Akkorde anschlug.

Als ich die kranke Mutter und meinen neuen Regenschirm im Kinderwagen auf die Straße hinausschob, waren wir eine glückliche Familie. Der Regen hatte aufgehört. Wir gingen zum Feiern in die nächste Schankstelle. Das Baby war schwanger.



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