Bauers Depeschen


Freitag, 06. April 2012, 886. Depesche



DER KAMPF GEHT WEITER

Stuttgarter Kickers - TSG Hoffenheim II 2:2



(Es gibt noch Restkarten für die "Blaue Nacht" an diesem Samstag in der Werkstattbühne von Albrecht & Deffner am Olgaeck - mit dem Dortmunder Satiriker Fritz Eckenga, dem Sänger Roland Baisch und unsereins. Beginn 20 Uhr)



FLANEURSALON IN OSTHEIM

Der nächste Flaneursalon findet am Mittwoch, 9. Mai, im historischen Wirtshaussaal der Friedenau in der ehemaligen Arbeiterkolonie Stuttgart-Ostheim statt. Es spielen Stefan Hiss, Roland Baisch, Anja Binder & Jens-Peter Abele. 20 Uhr. Karten: 07 11 / 2 62 69 24.



SOUNDTRACK DES TAGES



DOKUMENT

Ein Leser-Kommentar von Dr. Jürgen Maier online an "Die Zeit" beleuchtet die politischen und wirtschaftlichen Hintergründe von Stuttgart 21 so präzise, dass ich ich diesen Beitrag dringend empfehle. Der vorausgegangene Artikel in der Hamburger Wochenzeitung spielt für das Verständnis des Leserbriefs keine Rolle:



Sehr geehrte Frau Bund, sehr geehrte Redaktion,

im oben genannten Beitrag vermitteln Sie das Bild eines „saturierten und zukunftsvergessenen“ Wutbürgers, der sich im Falle von Stuttgart 21 „gegen die Ignoranz der Mächtigen“ wende, "die katastrophal kommunizierten". Sie übernehmen, wie fast alle Medien, das Bild, das die S-21-Betreiber von den S-21-Gegnern gezeichnet haben: Egoisten, die sich gegen die Meinung der Mehrheit und den Fortschritt stemmen. Ich fragte mich, wieso der Widerstand gegen S 21 in der Presse- und Medienlandschaft fast ausschließlich so gesehen wird und bin dabei zu folgender Hypothese gekommen:

Die Einschätzung beruht auf dem Politikverständnis, dass es sich bei öffentlichen Protesten um einen Konflikt zwischen dem durch die Politik vertretenen Gemeinwohl und den Partikularinteressen der Bürger handelt. Es ist wohl absolut nicht klar geworden, dass sich zumindest bei S 21 dieser Konflikt ins Gegenteil verkehrt hat: hier sind es die protestierenden Bürger, die das Gemeinwohl vertreten, während sich die Politik den Partikularinteressen der (Bahn-)Lobbyisten und der Grundstückspekulanten verschrieben hat.

Eine adäquate Berichterstattung, die über den Betrachtungshorizont eines vermeintlichen Wutbürgers hinausreicht, muss sich dieser besonderen Konstellation annehmen und deren gesellschaftliche Tragweite analysieren.

Hierzu möchte ich Ihnen kurz darstellen, was den Bürgern von Seiten der S-21-Betreiber als Fortschritt verkauft wurde, und was tatsächlich betrieben wird:

Behauptet wurde, der heutige Kopfbahnhof sei an seiner Leistungsgrenze angelangt und es werde daher ein neuer Durchgangsbahnhof gebaut, der die Leistungsfähigkeit des bestehenden Bahnhofs mindestens verdoppelt. Diese Behauptung wird durchgängig im Informationsmaterial des S-21-Kommunikationsbüros vertreten und findet sich seit Jahren in zahlreichen Monografien wieder, u. a. auch in Stuttgarter Architekturführern.

Demgegenüber konnte mit unterschiedlichen, voneinander unabhängigen Methoden nachgewiesen werden, dass sich durch den Bau von S 21 die Leistungsfähigkeit des Stuttgarter Bahnknotens praktisch halbiert. Inzwischen sind auch bahninterne Unterlagen an die Öffentlichkeit gelangt, die diese Analysen bestätigen. Der augenfälligste Beweis dafür, dass der bestehende Stuttgarter Hauptbahnhof keinesfalls an seiner Leistungsgrenze angekommen ist, ist seine überdurchschnittliche Pünktlichkeit, und das obwohl im Zuge der Baumaßnahmen zu S 21 inzwischen vier von 16 Gleisen ausgefallen sind.

Die Protestbewegung konnte auch klar aufzeigen, warum das betrieben wird: S 21 ist die logische Fortsetzung des Rückbaus der Bahninfrastruktur als Grundversorgung zugunsten eines Ausbaus profitabler Fernverbindungen. Im Falle von S 21 kommt noch dazu, dass sich die Bahn diesen verfassungswidrigen Rückbau der Infrastruktur auch noch vom Steuerzahler in Milliardenhöhe finanzieren lässt. Stadt und Land spielen auf Druck der Wirtschaft mit, weil man sich eine inzwischen durch Gutachten widerlegte Ankurbelung der Wirtschaft versprach und mit aller Macht verhindern will, dass eine Bürgerbewegung erfolgreich ist. Was bleibt, ist Grundstücksspekulation und die rücksichtlose Zerstörung von Lebensraum und Kulturgütern in einem in der westdeutschen Nachkriegszeit noch nie dagewesenen Umfang.

Von besonderer politischer Brisanz ist jedoch, wie das vorangetrieben wird:

Zu Beginn hat es noch vergleichsweise harmlos begonnen, ein reines Lehrbeispiel für Schopenhauers eristische Dialektik. Besonders bezeichnend sind die Ausführungen Schopenhauers zu seinem Kunstgriff Nr. 30: “Was man so die allgemeine Meinung nennt, ist beim Lichte betrachtet, die Meinung zweier oder dreier Personen [ … ]“, vor dem Hintergrund, dass S 21 tatsächlich bei einem Hubschrauberflug von 3 Leuten geboren wurde. Zu recherchieren, was sich daraus inzwischen entwickelt hat, wäre eine würdigere Aufgabe der „vierten Gewalt“ als die ständige Wiederholung des Klischees vom Wutbürger.

In Baden-Württemberg wird für S 21 seit Jahren eine gezielte Ausrichtung von politischen Gremien, IHK, Unternehmen, Städtetag, Bürgermeistern, Handwerksverbänden, Handwerkern und der Regionalpresse mit deutlichen Symptomen einer totalitären Gleichschaltung betrieben. Meinungen gegen S21 werden nicht geduldet und führen zur Diffamierung oder Ausschaltung der „Abweichler“, bei Unternehmern zum gezielten Auftragsentzug bis hin zur Existenzvernichtung sowie bei Angestellten zur Androhung oder gar Umsetzung von Kündigungen; an Schulen werden Aufsätze über die „Magistrale Paris-Bratislava“ geschrieben.

Seit den letzten beiden Jahren wird dies ergänzt durch systematische Bestrebungen zur Kriminalisierung der S-21-Gegner sowie deren Überwachung durch den Verfassungsschutz. Neuerdings gibt es zunehmend unverhohlene Angriffe konservativer Kreise auf das Versammlungsrecht.

Die politische Konstellation in der Landesregierung führte zur Unfähigkeit, dem Bürger eine adäquate Entscheidungsgrundlage für die Volksabstimmung zur Verfügung zu stellen, verbunden mit unrichtigen Behauptungen zu Ausstiegskosten, die sich in Umfragen als wahlentscheidend erwiesen haben.

Der Ausgang für Stuttgart und für die Selbstheilungskräfte der repräsentativen Demokratie ist noch offen, heute schon sichtbar ist die Verwandlung einer innerstädtischen Parklandschaft in die Kulisse eines Endzeitfilms sowie die Zerstörung einzigartiger Architekturdenkmäler - klaffende Wunden, die einer Stadt im Kampf zwischen Wahrheit und Macht zugefügt wurden.

Mit freundlichen Grüßen

Dr. Jürgen Maier



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