Bauers DepeschenMontag, 22. August 2011, 777. DepescheNOTIZEN Man müsste sich bei 30 Grad in seiner Bude nach menschlichem Ermessen Übermenschliches leisten, um etwas Gescheites abzusondern. Ich glaube nicht, dass ich gescheit genug bin, etwas Gescheites abzusondern. Sonst wäre ich längst reich. Ersatzweise gehe ich zu Fußballspielen in der vierten Liga, nicht etwa aus Gründen der Romantik. Wäre ich einer aus der ersten Liga, wäre ich längst reich. Das 1:1 der Stuttgarter Kickers am Sonntag gegen Großaspach hat mir klar gemacht, wo ich hingehöre. Die Mannschaft aus Großaspach war zum Spiel im Tour-Bus der Schlagersängerin Andrea Berg angereist. Dies hätte ein Grund sein können, Großaspach zu besiegen. Aber wir sind keine Rock 'n' Roller, wir sind vierte Liga, und so ist das Leben. Es sagt ein Reicher in "Citizen Kane": „Es ist keine Kunst, einen Haufen Geld zu machen, wenn Sie keine anderen Wünsche haben, als einen Haufen Geld zu machen.“ SOUNDTRACK DES TAGES KOLUMNE, REAKTION Hier ein bemerkenswerter ONLINE-KOMMENTAR zu meiner Kolumne, die in der Print-Ausgabe der StN am Samstag unter der Überschrift "An der Backe" erschienen ist (aus grafischen Gründen ist der Kolumnentext mit der - wie so oft nicht von mir formulierten - Überschrift "Den Südflügel vor der Flinte" im Netz zu lesen; auch die fetten Online-Zwischenüberschriften in den Kolumnentexten stammen nicht von mir): Petra Harder: WAS ALS FAZIT ÜBRIGBLEIBT Vielen Dank an Herrn Bauer für diesen wieder einmal sehr gelungenen Artikel! Bei diesem Projekt ist leider noch viel, viel mehr im Ar..., als der Südflügel. Auch der schöne Schloßgarten wird zerstört, weil er den Immobilienhaien zum Opfer fallen wird. Die vielleicht etwas spröde Schönheit dieses altehrwürdigen Gemäuers namens „Kopfbahnhof“, die sich nicht gleich jedem erschließt, geht für immer verloren. Schlimmer noch: Der Frieden in dieser Stadt ist ebenso beim Teufel wie der letzte Rest an Glaubwürdigkeit von Politik und Wirtschaft. Die Hoffnung des Bürgers, vielleicht doch so etwas wie Einfluß und Mitspracherecht zu haben, ebenso. Auch das Vertrauen in Polizei und Justizapparat hat stark gelitten. Alleine schon die martialische Sprache, die sich im Zusammenhang mit Stuttgart 21 etabliert hat – da geht es zur Sache, da wird jedes noch so vernünftige Gegenargument eiskalt lächelnd niedergebügelt; denn es geht ja angeblich um sehr viel – nämlich um Geld. Und das ist etwas, das jenen, die offenbar das Sagen haben in diesem Land, sehr viel mehr bedeutet als die Natur, die Lebensqualität und jedes menschliche Kulturgut. Man bekommt etwas vor die Flinte, man spricht vom „totalen Krieg“ – und als Bürger steht man kopfschüttelnd daneben und fragt sich: Geht es hier um Grundstücksgeschäfte und ein paar Milliarden Euro, oder geht es um Leben und Tod? Man kann eben nicht zwei Herren dienen – Gott und dem Mammon! Möge jeder für sich entscheiden, wem er lieber dient. Ich jedenfalls bin nach den Erfahrungen rund um dieses Großprojekt nicht mehr derselbe Bürger wie vorher. Mir sind Zusammenhänge zwischen Staat, Politik und Wirtschaft bewußt geworden, die ich vielleicht lieber nie gekannt hätte. Und dennoch: sollte Stuttgart 21 tatsächlich wie geplant gebaut werden, bleibt für mich die Hoffnung, daß wir alle viel dazugelernt haben - und uns vielleicht von jetzt an als Bürger in einer Bürgergesellschaft mehr Gehör verschaffen können, um unsere Zukunft gemeinsam zu gestalten. Friedlich, sozial- und umweltverträglich und ohne den ständigen Blick auf das ganz große Kapital. Das sollte uns mehr wert sein als nur eine schöne Illusion. KOMMENTARE SCHREIBEN: LESERSALON NEUER FLANEURSALON - jetzt rappen wir. Am Mittwoch, 28. September (20 Uhr), machen wir in der Rosenau einen Flaneursalon mit neuer Besetzung. Erstmals sind der Songschreiber/Sänger/Saitenvirtuose/Fußtrommler Zam Helga und die amerikanischen Sängerin Dacia Bridges zusammen auf der Bühne, und ich habe eine weitere Überraschung im Programm: der Freestyler TOBA BORKE rappt mit seinem Beatboxer Pheel. Die Jungs sind verdammt gut. Vorverkauf: ROSENAU NEUE STN-KOLUMNEN FRIENDLY FIRE: NACHDENKSEITEN FlUEGEL TV VINCENT KLINK RAILOMOTIVE UNSERE STADT KESSEL.TV GLANZ & ELEND |
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