Bauers Depeschen


Freitag, 04. Juli 2008, 185. Depesche

Es hat sich bewährt, Depeschen immer um Mitternacht ins Netz zu stellen. Vom Alpen Boulevard zurück auf den Alltags Boulevard. Heute ein paar schnelle Notizen von der Straße:



DER MENSCH IST KEIN GERÄT



Ich bin unterwegs von West nach Süd. Zur Tragik meines Spaziergängerberufs gehört die Panne, ausgerechnet die Schwabstraße, die ich seit langem als die Hauptverkehrsader meines Lebens betrachte, seit jeher verkehrt herum entlang zu gehen. Das heißt nicht, dass ich die Straße rückwärts gehe. Ich ziehe nur am falschen Ende los, an jenem Ende, wo die Hausnummern am höchsten sind, am Hölderlinplatz.

Die größte Energie der Stuttgarter Schwabstraße verströmt der Bismarckplatz. Wenn ich am Bismarckplatz stehe, kann ich bei gutem Wetter bis ins schwarze Loch des kilometerweit entfernten Schwabtunnels sehen. Bei Dunkelheit hängt eine Lichterkette in den Wolken, die aus dem Westen in den Süden führt. Durch den Tunnel mit seinem Löwenkopf über dem Schlund rumpelte früher die Straßenbahn. Angeblich handelt es sich um den ersten Tunnel Europas, durch den je ein Auto gefahren ist, und zwar nicht verkehrt herum.

Als ich neulich durch den Schwabtunnel ging, kam mir aus dem Süden ein Fahrradfahrer entgegen, der mir zuwinkte, danach ein Fußgänger, der rauchte. Es blieb offen, wer berauschender inhallierte.

Zurück oder besser vorwärts zum Bismarckplatz. Als ich stehen bleibe vor dem Mammutbaum, den uns die US Army hinterlassen hat, und etwas in mein Notizbuch kritzele, mustert mich eine Frau von Kopf bis Fuß. Sie sieht mir in die Augen und schüttelte den Kopf.

Ähnliches passiert mir oft, wenn ich auf der Straße Notizen mache. Die Leute glauben, ich notiere die Nummern von Falschparkern oder die Preise von Speisekarten, weil ich als Spion bei der Kneipenkonkurrenz beschäftigt bin.

In der Bismarckstube, einem Imbiss mit Gastraum, hängen Fotos von Stan Laurel, Oliver Hardy und James Dean. Am Tresen sitzt ein Mann mit schwarzer Augenklappe. Ich sehe ihn an und lasse mein Notizbuch stecken.

Die Schwabstraße ist eine richtungsweisende Straße. Rechter Hand die Buntheit des Stuttgarter Früchtle, die West-Variante der DDR-Errungenschaft Obst & Gemüse, gegenüber der Afro-Shop, im Schaufenster steht neben Rasta-Haarteilen ein Reiskocher.

In der Ramschauslage der Buchhandlung Pörksen an der Kreuzung Rotebühlstraße, nicht weit von der Rosenau, von Ralf Grohers Bar und dem Restaurant Schwabkeller, entdecke ich unter billigen Antiquitäten ein Buch mit dem Titel "Der Mensch ist kein Gerät". Ich weiß nicht, warum mir in diesem Moment ein Werbeslogan aus den fünfziger Jahren einfällt: "Moderner Fisch hat keine Gräten".

Solche Gedankensprünge gelingen dir nur in der Schwabstraße. Ich schaue in die Fenster vom Farben-Liebig und Elektro-Brezing: Die einmalige Qualität humaner Beratung erahnt man, noch ehe man die Ladentür öffnet. Man betritt eine vergangene Epoche.

Was könnte ich noch erzählen, wäre nicht jede Straße länger als eine Depesche. Die nächste kommt irgendwann um Mitternacht. Notizen mache ich heute neckarabwärts zwischen Plochingen und Marbach.



Für den Flaneursalon am 9. Juli in Hinterhof Brennerstraße 23 gibt es nicht mehr viele Karten: 0711 / 4 11 67 27.



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