Bauers Depeschen


Samstag, 07. Juni 2008, 161. Depesche

Hab schon gemerkt: Die EM hat begonnen, Depeschen sind so überflüssig wie türkische Treter, die Portugals Spielintelligenz (Meira gehört nicht dazu) beleidigen. Dennoch werde ich ein Depeschen-Notprogramm aufrecht erhalten.

Diese Woche habe ich auf eine Veröffentlichung der Berliner Zeitung zum Thema Schwabenhass mit einer kleinen Glosse in den Stuttgarter Nachrichten reagiert. Die Berliner Zeitung hat den Text im Feuilleton ihrer Samstagausgabe als Kolumne abgedruckt:



PORNOHIPPIE

Berliner Schwabenhass



Auf große Resonanz im In- und Ausland ist unser Text "Mach meinen Schwaben nicht an" gestoßen, in dem wir uns am Mittwoch mit dem neuen Berliner Antischwabismus befassten. In den "Stuttgarter Nachrichten" vom Donnerstag schreibt der Kolumnist des Blattes, Joe Bauer:



Mitten in der größten Unwetterkatastrophe seit Jahren meldet die "Berliner Zeitung": "Eine neue Welle des Schwabenhasses überflutet Berlin." Das Thema wiegt schwer, das Blatt schreibt: "Öfter schon ist es in den vergangenen Jahren zu Unmutsbekundungen der eingeborenen Bevölkerung angesichts einer angeblichen Überfremdung durch schwäbische Einwanderer gekommen; zu Weihnachten werden im Prenzlauer Berg traditionellerweise Schilder mit dem Aufdruck ,Stuttgart-Sindelfingen 610 km - Ost-Berlin wünscht gute Heimfahrt" aufgestellt. Zwischen den Festtagen und außerhalb der Sommerferien ebbte der Antischwabismus zumeist wieder ab. Anders 2008: Um Pfingsten herum plakatierten Ostberliner Traditionsbürger das Gebiet um den Kollwitzplatz mit knallgelben fremdenfeindlichen Schildern, auf denen stand: ,Schwaben In PRENZLAUER BERG. Spießig, überwachungswütig in der Nachbarschaft und kein Sinn für Berliner Kultur. Was wollt ihr eigentlich hier?"

Einen so langen Text habe ich in dieser Kolumne noch nie zitiert. Aber die Dokumentation erscheint mir wichtiger als der Senf, den ich dazugeben könnte. Entscheidend ist die Frage: "Was", Schwabentrottel, "wollt ihr eigentlich hier?" Zur Klärung verspreche ich im Sinne des großen Berliners Wolfgang Neuss: Heut' mach ich mir kein Abendbrot, heut' mach ich mir Gedanken.

Ich war oft in Berlin, habe die fremden Kulturen und Riten respektiert und bin auch immer schnell abgereist. Oft genug habe ich mir sagen lassen, die Schwaben seien schlimmere Besatzer als die Türken. Von den Russen, den Amis, den Fröschen sprach kein Schwein. Die Berliner genossen Artenschutz. Einen nicht unerheblichen Teil der Stadt hatte man lange eingemauert, weil man wusste: Achtung, Pack schlägt sich, Pack verträgt sich.

Manchmal habe ich in Kreuzberg den einen oder anderen schwäbischen Schulkameraden getroffen, der einst vor der Bundeswehr geflüchtet war. In der Regel wurde ich so begrüßt: "Kommst vom Dorf, Alter, wah?" "Nee, ick heiße nur Bauer", habe ich gesagt und ihm einen schwäbischen Heiermann als Extra-Soli für sein abgefucktes Daimler-Taxi in die Hand gedrückt.

Das ist lange her, aber ich bin auch nach Berlin gefahren, als die Mauer weg war und habe meine verdammte Nichtberliner Schnauze gehalten, wenn ich nicht gefragt wurde. Was hätte ich sagen sollen. Ich habe nicht Berlin besetzt, das waren die Sindelfinger Hausbesetzer, die heute Berliner Häuser besitzen und auf dem Potsdamer Platz für Mercedes-Benz anschaffen. Gedankt wurde mir die schwäbisch-pietistische Zurückhaltung nicht.

Neulich erst gab es eine Demo gegen die Überfremdung des Prenzlauer Bergs, die "Fuck Yuppies Parade" mit der Parole: "Stoppt die Besatzung des P-Bergs durch Porno-Hippie-Schwaben."

Berliner, wat soll der Scheiß? Bin ich Österreicher?

Die Frage, was wir eigentlich wollen in Berlin, steht noch im Raum. Mein alter Freund, der Berliner Kabarettist Arnulf Rating, hat sie schon beantwortet, als ich selbst noch ein geiler Porno-Hippie war. "Wer es in Stuttgart aushält", hat er gesagt, "dem gefällt es überall."



P. S.: Ich wehre mich gegen den Vorwurf, Schwaben seien "überwachungswütig in der Nachbarschaft". Wofür bezahlen wir eigentlich die Stasi-Spitzel von der Telekom?

Und nicht vergessen: Am Mittwoch, 9. Juli, ist der Flaneursalon beim Sommertheater im Bohnenviertel zu Gast. Hinterhof-Festival, schöne altstädtische Open-Air-Kulisse. Plätze mit Zeltplanen überdacht.



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