Bauers Depeschen


Montag, 03. September 2007, 62. Depesche

Goggo Gensch hat für die ARD einen Dokumentarfilm gedreht:

„Dreißig Jahre danach ... Der Deutsche Herbst in Stuttgart“.

Mitwirkende sind: Bruno Bienzle / Kurt Breucker / Felix Huby / Manfred Naegele / Hans Nusser / Klaus Pflieger / Rupert von Plottnitz / Manfred Rommel / Lothar Späth.

Öffentliche Premiere ist am Mittwoch, 5. September, im Stuttgarter Haus der Geschichte, Konrad-Adenauer-Straße. Beginn: 20 Uhr. Im Fernsehen wird der Film am 20. September (23 Uhr) auf Arte gezeigt.

Das Stuttgart von 1977 war spießig, aufgewühlt und gespalten. Tag und Nacht - es gab sehr wohl Nächte - wurde gestritten und gehetzt.



Am 5. September 1977 wurde Schleyer entführt. Ich habe damals in der Sportredaktion der Stuttgarter Nachrichten gearbeitet, der Sportchef hieß Bruno Bienzle, er tritt in Goggo Genschs Film als Zeitzeuge auf. BB weiß viel. Sport, Kultur und Altstadtmilieu begegneten sich in den späten siebziger Jahren Nacht für Nacht im Rotlichtviertel am Leonhardsplatz. Vom Fußball zur Revolution war es nicht weit. 1978 fand die WM während der Militärdiktatur in Argentinien statt. Gute Sportreporter berichteten in dieser Zeit nicht nur über Fußball. Bruno Bienzle war ein guter Sportreporter.

Weil ich mit Abstand der Jüngste in der Redaktion war, hatte ich die Randsportarten zu betreuen, Sportarten, von denen man sicher sein konnte, dass sie niemanden interessierten. In der Zeit der Schleyer-Entführung musste ich mich um die Weltmeisterschaften im Gewichtheben auf dem Stuttgarter Killesberg kümmern. Ich weiß noch, dass damals schon gedopt wurde bis zum Erbrechen. Man schob alles den Sowjets in die Schuhe.

Bruno Bienzle machte mich mal rund, weil ich den Bund Deutscher Radfahrer versehentlich mit BRD abgekürzt hatte. Das komme von der Lektüre meiner linken Blättchen, sagte er. So war das.

Vergangene Woche hat der Buchhändler Wendelin Niedlich in der Weinstube Fröhlich seinen 80. Geburtstag gefeiert. Man konnte sehen, was von einigen Linken übrig geblieben ist.

Michael Gaedt hat bei dem Abend gesungen, ich hab zwei kurze Texte von Niedlichs Lieblingsdichter Robert Walser gelesen. Danach haben wir schnurstracks die Anlage in den Kleinbus geladen und sind nach Hause gefahren. „Gut, dass ich nicht trinke“, habe ich zu Gaedt gesagt. Es wäre nicht gut ausgegangen an diesem Abend, nicht nur für mich.

Am anderen Morgen bin ich mit Coach Peter Schwemmle zum Torwarttraining auf die Waldau gefahren. Ich war gut in Form. Es war ein langer Weg vom Gewichtheben-Reporter bis zur Wiederaufnahme des Torwarttrainings. Ich weiß noch, dass wir während der Gewichtheber-WM nächstens mehrfach im Lokal eines Zuhälters in der Neckarstraße gesessen sind. Zuhälter mochten Gewichtheber.

Der Zuhälter hatte viel Stammheim-Erfahrung und vertrat später die These, die RAF-Leute hätten sich unter den Bedingungen von Stammheim niemals selbst umbringen können. Selbstverständlich war der Zuhälter nicht für die RAF. Der Zuhälter war für die Todesstrafe, auch für die heimliche staatliche Todesstrafe. Der Zuhälter konnte gut erzählen, er schien jeden Winkel von Stammheim zu kennen. In den Jahren danach habe ich gelernt, dass viele Banditen gut erzählen können. Man durfte die Knast-Erfahrung nicht unterschätzen: Die Banditen lasen viel im Gefängnis und entwickelten Fantasie. Das war die Zeit, als das Milieu eine eigene, subkulturelle Sprache pflegte. Nur Eingeweihte verstanden, was ein Dix (sprich Diss), die Kuppe oder ein Dublag ist.

Das gibt es nicht mehr. Gangsta-Rap erreicht zu schnell den Kindergarten.

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